Wiener Festwochen: Fesselnde Inszenierung des Pelicot-Prozesses

Milo Raus Inszenierung beim Wiener Festwochen thematisiert den schockierenden Pelicot-Prozess in der katholischen Kirche.
Milo Raus Inszenierung beim Wiener Festwochen thematisiert den schockierenden Pelicot-Prozess in der katholischen Kirche. (Symbolbild/DNAT)

Wiener Festwochen: Fesselnde Inszenierung des Pelicot-Prozesses

Avignon, Frankreich - In der katholischen Pfarrkirche St. Elisabeth in Wien wurde unter der Regie von Milo Rau ein außergewöhnliches Theaterstück aufgeführt, das den Gerichtsprozess gegen den verurteilten Sexualstraftäter Dominique Pelicot thematisierte. Die Inszenierung, die am 19. Juni 2025 stattfand, war in drei Akte und 48 Fragmente gegliedert und dauerte über sechs Stunden. Laut Kleine Zeitung lasen Schauspielerinnen und Schauspieler Akten und Kommentare zu den Gerichtsverhandlungen vor, während eine Leinwand die sprechende Person in Großaufnahme zeigte.

Dominique Pelicot hatte seine Ehefrau Gisèle jahrelang betäubt und sie von zahlreichen Männern vergewaltigen lassen. Dieser erschreckende Fall kam erstmals 2020 ans Licht, als Pelicot versuchte, Frauen in einem Supermarkt zu filmen. Bei einer Durchsuchung wurden 20.000 Vergewaltigungsvideos gefunden, die Pelicot und mittlerweile mindestens 70 Mittäter dokumentiert hatten. Ein Urteil gegen ihn wurde im Dezember 2024 gefällt, wo er zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt wurde, während die Strafen für die gesammelten Mittäter zwischen 3 und 15 Jahren variieren, berichtet ZDF Heute.

Der öffentliche Prozess und seine Auswirkungen

Der Mut von Gisèle Pelicot, den Fall öffentlich zu machen, brachte dem Prozess weltweite Aufmerksamkeit. Sie widmete ihren Kampf gegen sexualisierte Gewalt all den unbekannten Opfern. Sie selbst berichtete von etwa 200 Übergriffen, die sie erlitten hatte. Das Gerichtsverfahren endete mit einem klaren Urteil, und die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung nach der Haftstrafe für Pelicot bleibt bestehen. Die Strafen für die weiteren Angeklagten sind dabei noch nicht rechtskräftig, da die Anwältin des Ex-Mannes eine Berufung prüft.

Die Inszenierung in Wien, die in einem minimalistischen Setting mit nur zwei Tischen und einem Rednerpult stattfand, unterschied sich stark von der Atmosphäre eines herkömmlichen Gerichts. Das schwach verstärkte Echo der Kirche verlieh der Aufführung einen sakralen Charakter und sollte das Publikum in die bedrückende Thematik hineinziehen. Mit Abschnitten, die in der ersten Person verlesen wurden, erhielt das Stück eine eindringliche und persönliche Note.

Kunst als Ausdruck und Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt

Die Verbindung von Sexualität und Kunst ist heikel, wie auch die Diskussion um die Thematisierung sexueller Gewalt zeigt. Historisch gesehen hatten Künstlerinnen wie Artemisia Gentileschi, die sexualisierte Gewalt in ihrer Arbeit thematisierte, mit enormen Herausforderungen zu kämpfen. Ihr bekanntestes Werk, „Judith und Holofernes“, könnte als ein Beispiel für die Überwindung von Isolation und die Verarbeitung von Opfern sexueller Gewalt gesehen werden. In ähnlicher Weise reflektieren moderne Künstlerinnen wie Tracey Emin in ihren Arbeiten persönliche Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt und Scham, erwähnt das Ärzteblatt.

Die Debatte über die Darstellung sexualisierter Gewalt in der Kunst bleibt aktuell und bietet einen Raum zur Reflexion, sowohl für die Künstlerinnen als auch für die Gesellschaft. Das Beispiel von Gisèle Pelicot und die wachsende öffentliche Wahrnehmung des Themas verdeutlichen, dass Kunst nicht nur als Medium der Verarbeitung dient, sondern auch als Plattform für das Sichtbarmachen von schweren Vergehen.

Die gekürzte Fassung des Stücks wird am 18. Juli beim Festival in Avignon ihre französische Premiere haben und verspricht, die schockierenden und zugleich bedeutsamen Aspekte des Prozesses weiterhin zu beleuchten.

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OrtAvignon, Frankreich
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