Ukraine: Erste Proteste gegen Regierung seit Kriegsbeginn trotz Korruption

Ukraine: Erste Proteste gegen Regierung seit Kriegsbeginn trotz Korruption

In der Ukraine haben die ersten größeren Anti-Regierungs-Proteste seit Beginn der umfassenden Invasion Russlands vor über drei Jahren stattgefunden. Ausgelöst wurden diese Proteste durch einen vorläufigen Gesetzesentwurf von Präsident Wolodymyr Selenskyj, der das Aufsichtsgremium zweier wichtiger Anti-Korruptionsbehörden ermöglichte. Dies führte zu einer Welle von Empörung im ganzen Land.

Proteste in mehreren Städten

In der Hauptstadt Kiew sowie in Lwiw im Westen und in Dnipro im Osten versammelten sich zahlreiche Menschen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Die ukrainische Werchowna Rada, das Parlament des Landes, hatte ein Gesetz verabschiedet, das dem Generalstaatsanwalt, einer politisch ernannten Figur, die Aufsicht über das Nationale Anti-Korruptionsbüro der Ukraine (NABU) und die Spezialisierte Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft (SAPO) übertragen hat.

Kritik an der Gesetzgebung

Kritiker der Gesetzesänderung befürchten, dass dieser Schritt die Unabhängigkeit der beiden Institutionen untergräbt und die Bestrebungen Ukrainas, der Europäischen Union beizutreten, gefährdet. Die EU hat deutlich gemacht, dass die Ukraine strenge Anti-Korruptionsmaßnahmen umsetzen muss, um eine Mitgliedschaft zu erreichen. Auch die Biden-Regierung hat die ukrainische Regierung aufgefordert, im Kampf gegen die Korruption mehr zu tun.

Korruption im politischen System

Die Ukraine gilt seit langem als eines der korruptesten Länder Europas. Korruptionsvorwürfe betreffen zahlreiche hochrangige Regierungsmitglieder, darunter enge Verbündete Selenskyjs, wie den ehemaligen Vizepremierminister Oleksiy Chernyshov. Selenskyj verteidigte seine Entscheidung jedoch in einer nächtlichen Ansprache, in der er betonte, dass beide Organisationen weiterhin arbeiten würden und es notwendig sei, sie von „russischem Einfluss“ zu befreien.

Anhaltende Gegensätze

Gegner des Gesetzes warnen, dass die Unabhängigkeit der beiden Agenturen gefährdet ist, da das neue Gesetz dem Generalstaatsanwalt Befugnisse einräumt, um Ermittlungen zu beeinflussen und sogar Verfahren einzustellen. Diese Besorgnis drang bis an die Front, wo die militärischen Kräfte gegen die russischen Truppen kämpfen. Yegor Firsov, ein Hauptfeldwebel eines Drohnenangriffe-Platoons, kritisierte scharf die Korruption, während seine Kameraden im Einsatz sind.

Internationales Echo auf die Proteste

Die ukrainische Niederlassung von Transparency International betonte die Notwendigkeit, dass Selenskyj das neue Gesetz ablehnen sollte. Sie argumentierten, dass das Gesetz die unabhängigen Anti-Korruptionsinstitutionen der Ukraine gefährde, welche als eines der größten Errungenschaften seit der Revolution der Würde im Jahr 2014 angesehen werden.

Schwierigkeiten bei der europäischen Integration

Die Agentur für Legislativinitiativen (ALI), ein führender ukrainischer Think Tank, bezeichnete das neue Gesetz als einen „180-Grad-Wendepunkt“ in den Bemühungen um die europäische Integration. ALI warnte, dass das Gesetz dem Generalstaatsanwalt nahezu unbegrenzte Befugnisse verleihe, während die Ermittler der SAPO durch ein rigoroses Auswahlverfahren mit internationaler Fachberatung ausgewählt wurden.

Selenskyjs Versprechen gegen Korruption

Im Vorfeld der Wahlen 2019 war der Kampf gegen Korruption eines von Selenskyjs zentralen Versprechen. Seine Regierung wurde während des Krieges mehrfach für ihre Anti-Korruptionsmaßnahmen gelobt, doch die aktuellen Kritik an der neuen Gesetzgebung lässt Zweifel an den Beweggründen aufkommen. Kritiker argumentieren, dass die Plattform von Selenskyj, das Land von Korruption zu befreien, leer geblieben sei.

Die Berichterstattung wurde von CNNs Victoria Butenko, Daria Tarasova-Markina und Max Saltman unterstützt.

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