Leben und Vermächtnis der Patriotismus-Ikone Hermine Orian: Ein Abschied

Südtirol, Italien - Hermine Orian, eine der letzten lebenden Zeitzeuginnen der tragischen Geschichte Südtirols, ist am 16. Mai 2025 im Alter von 106 Jahren verstorben. Sie wurde 1919 als Österreicherin geboren und erlebte die gewaltsame Italianisierung ihrer Heimat hautnah. Ihr Widerstand gegen die Unterdrückung zeigt sich insbesondere in ihrer Rolle als Katakombenlehrerin, wo sie in den 1920er Jahren heimlich deutschsprachige Kinder unterrichtete, während lediglich Italienisch als Unterrichtssprache erlaubt war. Diese „Katakomben-Schulen“ waren ein Zeichen des Widerstands gegen das faschistische Regime, das die deutsche Sprache verbot und die Bevölkerung zur Assimilation zwang. Orian trat dem Netzwerk illegaler Lehrerinnen bereits im Alter von 13 Jahren bei und vermittelte ihr Wissen und ihre Identität in Zeiten der Repression.
Sie wurde über die Jahre durch verschiedene Ehrungen gewürdigt, darunter ein Verdienstorden des Landes Tirol in den 1960er-Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg durfte sie schließlich offiziell als Lehrerin arbeiten, doch ihre lange Suche nach einer österreichischen Staatsbürgerschaft blieb bis zu ihrem Tod unerfüllt. Zu ihrem 103. Geburtstag äußerte sie den Wunsch, einen rot-weiß-roten Pass zu erhalten, was die fortwährenden Schwierigkeiten für die Südtiroler Bevölkerung in Bezug auf ihre nationale Identität und Staatsangehörigkeit verdeutlicht. Der FPÖ-Südtirolsprecher Christofer Ranzmaier kritisierte dieses Versäumnis und bezeichnete es als beschämend, dass Österreich Orian ihren Wunsch verwehrt hatte, als Österreicherin zu sterben.
Streit um Staatsbürgerschaft
Der Fall Hermine Orian ist symptomatisch für die anhaltenden Probleme der Südtiroler im Hinblick auf Staatsbürgerschaft und nationale Identität. In den letzten Jahren gab es zahlreiche öffentliche und politische Initiativen, um die Situation der Südtiroler zu verbessern. Ranzmaier forderte ein Umdenken bei der Vergabepraxis der Staatsbürgerschaft und appellierte, den Südtirolern die Doppelstaatsbürgerschaft zu ermöglichen. Dies sollte auch als Zeichen des Respekts für das starke österreichische Selbstverständnis dieser Bevölkerung geschehen. Orian, die mehr Österreicherin war als viele mit rot-weiß-rotem Pass, kämpfte lange um ihre Staatsbürgerschaft, doch auch nach ihrem Tod bleibt der Wunsch vieler Südtiroler nach Gleichheit und Anerkennung bestehen.
Im Jahr 2019 stellte der Nationalrat den Beschluss auf, den Südtirolern die Doppelstaatsbürgerschaft zu ermöglichen, jedoch bleibt die Umsetzung bis heute aus. Aktuelle Verfahren zur Annerkennung der Staatsbürgerschaft laufen nach wie vor beim Innenministerium, die Verantwortlichen wie Innenminister Gerhard Karner und Kanzler Karl Nehammer äußern sich jedoch nicht zu diesem brisanten Thema. Dies hat zu einem öffentlichen Unmut geführt, der sich auch durch Versammlungen, wie die der „Südtiroler Schützen“ in Wien im April 2023, äußerte, als sie für Orians Anliegen demonstrierten. Kardinal Schönborn hob in diesem Kontext den Zusammenhalt der Gemeinschaft als „Zeichen der gelebten Solidarität“ hervor.
Historischer Kontext von Südtirol
Südtirol blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, die von der Frühzeit bis zur Gegenwart reicht. Die eigenständige Geschichte begann mit der Besetzung durch italienische Truppen im November 1918 und dem anschließenden Verlust an Österreich durch den Vertrag von Saint-Germain im Jahr 1919. Der demographischen Entwicklung zufolge hatte Südtirol zu dieser Zeit eine deutschsprachige Mehrheit von 89%. Die Italianisierungsphase, die 1922 unter Mussolini einsetzte, führte zu Zwangsmaßnahmen zur Assimilierung, die den südtirolerischen Charakter und die Bildungssprache stark beeinträchtigten. Die Region ist damit ein vorbildlicher Ort für die Auseinandersetzung mit Identität, Nationalität und den Rechten ethnischer Minderheiten in Europa.
Noch immer bestehen Spannungen zwischen den verschiedenen Sprachgruppen in Südtirol, insbesondere im Bildungssystem. Trotz weitgehender Selbstverwaltung durch das Autonomiestatut von 1972 und der rechtlichen Anerkennung des Südtiroler Volk zu einer Vielzahl von Rechten, bleibt das politische Klima herausfordernd. Im Jahr 2020 wurde zudem ein Mahnmal zur ungerechten Teilung Tirols eingeweiht, welches die anhaltende Sehnsucht vieler Südtiroler nach Einheit und Anerkennung symbolisiert. Orians Tod erinnert an diese medienwirksamen Themen und an den kontinuierlichen Kampf um kulturelle Identität und politische Gleichheit.
Details | |
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Vorfall | Sonstiges |
Ort | Südtirol, Italien |
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