Der Nordwestbahnhof in Wien, ein historischer Ort mit bewegter Vergangenheit, steht kurz vor dem Abriss. Das weitläufige Gelände, das sich auf etwa 44 Hektar erstreckt und im Herzen der Stadt liegt, wird in naher Zukunft transformiert. Angrenzend an den Wiener Augarten zeigt sich das Areal heute als eine Art urbaner Wildnis, geprägt von leerstehenden Lagerhäusern und ungenutzten Gleisen. Die bunten Wandmalereien und Graffitis, die hier entstanden sind, zeugen von einer kreativen Unordnung, die bald der Vergangenheit angehören wird. Ich nutzte die Gelegenheit, um das Gelände zu erkunden und zahlreiche Fotografien zu machen, bevor der Umbau beginnt.
Im Oktober starteten die Abrissarbeiten, und die Zukunft des ehemaligen Bahnhofs sieht vielversprechend aus: Bis zum Jahr 2035 sollen hier etwa 16.000 Menschen leben. Dieser Ort war einst der zweitgrößte Kopfbahnhof Wiens, eröffnet im Jahr 1872. Von hier aus wurden Passagiere in alle Himmelsrichtungen, selbst in das damalige Berlin und Dresden, befördert. Das Gebiet war auch ein wichtiger Anlaufpunkt für viele jüdische Familien, die sich in der Leopoldstadt niederließen, wo ein ehemaliges Ghetto existierte. Um diesen geschichtsträchtigen Platz ranken sich viele Erinnerungen, die nun durch die geplante Neugestaltung in den Hintergrund gedrängt werden.
Der Weg zur Neugestaltung
Die Umwandlung des Geländes sieht den Bau von rund 6.500 Wohnungen sowie 5.000 Arbeitsplätzen vor. Zudem ist der Bau einer großen Schule geplant. Ein zentrales Merkmal der neuen Wohnanlage wird ein grünes Band sein, das sich durch das gesamte Areal ziehen soll. Autos sollen vom Gelände ferngehalten werden, was eine umweltfreundliche Maßnahme darstellt. Angesichts der immer noch offenen Fragen zur Verkehrsplanung gibt es jedoch Bedenken, ob die geplanten Einstellungen den zukünftigen Bedürfnissen der Bewohner:innen gerecht werden können.
Die BürgerInneninitiative Nordwestbahnhof äußert Kritik an der unzureichenden Planung für Fuß- und Radverkehr, ebenso wird bemängelt, dass das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln nicht dem Bedarf entspricht. Die Stadt hat kürzlich eine Straßenbahnlinie zu einem benachbarten projizierten Viertel verlängert, doch der Endpunkt dieser Linie liegt unfassbar weit ab vom gewünschten Zielort, was an vielen Stellen für Unverständnis sorgt. Zudem wird ein massiver Parkplatzbau von über 2.500 Stellplätzen geplant, was den Anwohner:innen Sorgen um die Mieten bereitet. Die zusätzlichen Parkplätze könnten die Baukosten in die Höhe treiben, was besonders für weniger begüterte Bevölkerungsschichten schädlich sein könnte.
Mit der geplanten Umgebungsgestaltung sollen rund 60 Prozent der neuen Wohnungen gefördert sein, allerdings wird auch ein großer Teil privat finanziert, was die Sorge vor steigenden Mieten unterstreicht. Bereits jetzt ist die Nachfrage nach Wohnraum in Wien hoch, und die Schaffung von sogenannten „freifinanzierten“ Immobilien macht es für viele Wiener:innen schwer, ein Zuhause zu finden.
Aktuell zeigt sich das Nordwestbahnhof-Areal noch in einem Zustand der Ruhe, die bald einem Baufeld weichen wird. Die Bildreportage, die ich erstellt habe, hält die letzten Momente eines Ortes fest, der bald einer neuen Urbanität weichen wird. Die Transformation des Nordwestbahnhofs steht für einen neuen Beginn in der städtischen Entwicklung, doch es bleibt zu hoffen, dass die Stimme der Bürger:innen in den Planungsprozess tatsächlich einfließt, um ein wohnliches und nachhaltiges Umfeld zu schaffen. Für detaillierte Informationen über die Entwicklungen rund um den Nordwestbahnhof lese man hier.