Waidhofen an der Thaya

Waldviertler Auswanderer: Wie eine Region in Amerika aufblühte

Ein Familiengeheimnis: Juliana Pautsch aus Spital heiratet Franz Brunner aus Pürbach und zieht 1882 mit vier Kindern ins unbekannte Pepin County, Wisconsin – und das scheint niemand zu wissen!

Bei einem Streifzug durch das „Ahnendorf“ Spital bei Weitra entdeckte ich die bewegende Geschichte von Juliana Pautsch, die 1882 mit ihrem Mann Franz Brunner und ihren vier Kindern nach Amerika auswanderte. Doch sie war nicht allein: Auch die Eltern ihres Mannes waren bereits ein Jahrzehnt zuvor ins Pepin County in Wisconsin, USA gezogen. Diese Entdeckung führte mich auf eine Spur von vielen weiteren Auswanderern aus der Region zwischen Schrems und Waidhofen/Thaya, die dem Wiener Friedrich Hafner aufgefallen waren.

Die Verbindung zu Pepin County, insbesondere zur Ortschaft Lima, ist bemerkenswert. Die Tatsache, dass so viele Menschen aus einem vergleichsweise kleinen geografischen Raum nach Amerika auswanderten, wirft Fragen auf. Wie ist es möglich, dass diese bedeutende Migrationsbewegung weitgehend in Vergessenheit geraten ist? Der Grund ist zum Teil in der damaligen Zeit zu suchen, als die Habsburg-freundlichen Zeitungen wenig darüber berichteten. Kriege und politische Umwälzungen trugen weiter dazu bei, dass die Waldviertler Amerikaner in der historischen Erzählung in den Hintergrund gedrängt wurden.

Die Reise nach Amerika

Der Bahnhof in Pürbach stellte für viele Menschen den Beginn einer langen und unsicheren Reise dar. Mit ihren Kindern und allem, was sie besitzen konnten, machten sie sich auf den Weg nach Bremen. Von dort aus starteten sie ihre Überfahrt nach New York, zunächst mit einem Segelschiff und später mit Raddampfern. Da sie kein Englisch sprachen, war die Kommunikationsbarriere eine erhebliche Herausforderung. Nach der Ankunft in New York reisten sie per Zug und Schiff den Mississippi sowie den Chippewa River hinauf, bis sie Reed's Landing erreichten.

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Nach einem zweistündigen Fußmarsch fanden sie Unterkunft in den Scheunen der Familien Faast oder Forster. Der erste große Tross von etwa 60 Auswanderern aus der Schremser Gegend traf im Mai 1871 ein. In den folgenden Jahrzehnten folgten viele andere Familien, oftmals mit den Nachnamen Bauer oder Brunner, die alle in neu erschlossene Gebiete zogen. Manche mussten das Land erst bewirtschaften und kultivieren.

Alois Brandtner, ein Auswanderer, schilderte 1881 in einem Brief an seinen Schwager im Waldviertel seine Nachbarn und die Distanzen zu ihnen. „Mein nächster Nachbar ist der Bauer oder wie man sagt der Stefl-Sepp von Höfen...“, erzählte er. Diese persönlichen Verbindungen verdeutlichen, dass sich beinahe ein ganz neues Dorf aus den Heimkehrern des Waldviertels um Lima gebildet hatte.

Ein Teil der amerikanischen Gesellschaft

Die eingewanderten Waldviertler integrierten sich in die amerikanische Gesellschaft und gingen darin auf. Die Nachnamen Brunner, Bauer, Prissel (oder Preissl) und Weber sind noch immer in der Region zu finden. Auffällig ist zudem der Anbau von Mohn in dieser Gegend, etwas, das für die USA eher untypisch ist. Dies ermöglicht den Amerikanern, köstliche Poppy Rolls (Mohnstrudeln) zu backen, die nach traditionellen Rezepten zubereitet werden.

Für einen tiefen Einblick in die Hintergründe und die Entwicklungen dieser Auswanderung sowie die damit verbundenen Abenteuer ist der aktuelle Artikel des Waldviertler Heimatbundes in der Vierteljahresschrift „Das Waldviertel“ empfehlenswert. Die Gründe für die Abwanderung und die Auswirkungen auf die Auswanderer werden dort ausführlich erläutert. Diese Bewegungen waren nicht nur für die direkt Betroffenen entscheidend, sondern prägen bis heute die Identität der aus dieser Region stammenden Amerikaner, die weiterhin ihren Ursprung im Waldviertel nicht vergessen haben.


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Quelle
m.noen.at

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