Putins Russland: Stabilität oder Destabilisierung unter autoritärer Herrschaft?
Historikerin Irina Scherbakowa analysiert Russlands politische Instabilität unter Putin und die Rolle der Menschenrechtsorganisation Memorial.

Putins Russland: Stabilität oder Destabilisierung unter autoritärer Herrschaft?
Historikerin Irina Scherbakowa äußert sich kritisch zur Stabilität des heutigen Russlands unter Präsident Wladimir Putin. Ihrer Einschätzung zufolge ist das gegenwärtige System weniger stabil als die späte Sowjetunion. Während in der Sowjetunion klare Strukturen für Partei, Staat und Verwaltung vorhanden waren, fehlt es heute daran. Sie beschreibt Putins Herrschaft als autoritär und nach dem „Mafia-Prinzip“ organisiert, was bedeutet, dass die gesamte Macht an einer Person hängt. Diese Konzentration der Macht führt zu einer besonderen Verwundbarkeit: Ein plötzlicher Ausfall Putins könnte die gesamte Struktur destabilisieren. Obwohl Russland durch den anhaltenden Krieg gegen die Ukraine unter Druck steht, hält Scherbakowa fest, dass das Land über bedeutende Ressourcen verfügt, insbesondere einen starken Sicherheitsapparat, der dennoch als repressiv wahrgenommen wird.
Durch die staatlich gelenkte Verklärung der Geschichte kritisiert Scherbakowa die politischen Repressionen in Russland und setzt sich für deren Aufarbeitung ein. Memorial, eine Menschenrechtsorganisation, die 2021 in Russland verboten wurde, hat ihre Arbeit ins Exil verlagert. Scherbakowa, die Vorsitzende des Vereins Zukunft Memorial in Deutschland ist, hebt hervor, dass die Organisation das größte nichtstaatliche Archiv zur politischen Verfolgung in der Sowjetunion besitzt. Dieses Archiv umfasst Millionen von Dokumenten und Namen und wird derzeit digitalisiert.
Das Projekt „Lanterna“
Ein weiteres wichtiges Projekt von Memorial ist „Lanterna“, das darauf abzielt, Einzelschicksale aus der Geschichte des sowjetischen und russischen Staatsterrors für ein junges Publikum zugänglich zu machen. Dies ist Teil eines umfassenden Ansatzes, der auch internationale Diktaturerfahrungen, unter anderem in Deutschland, Argentinien und Südafrika, behandelt. Scherbakowa sieht in der Aufklärung über die Vergangenheit eine essentielle Aufgabe, um die Erfahrungen mit totalitären Regimen zu verarbeiten und das Bewusstsein für Menschenrechte zu stärken.
Putin hat seit 2000, mit einer unterbrochenen Amtszeit, die Macht in Russland und hat diese durch Verfassungsreformen weiter ausgebaut. Im Juli 2020 wurde eine Verfassungsreform eingeführt, die ihm theoretisch eine Regierungszeit bis 2036 ermöglicht. Während die Unterstützung für Putin in der Bevölkerung abgenommen hat, ist sie dennoch relativ hoch. Er bewirbt sich mit der Rhetorik von Stabilität und wirtschaftlichem Wachstum. Trotz der Herausforderungen, wie einer leidenden Wirtschaft und der Auswirkungen der Corona-Pandemie, bleibt Putins Herrschaft durch massive Repressionen und ausgeklügelte Propaganda gefestigt.
Die politischen Umstände und Widerstand
Die politische Opposition in Russland ist stark unter Druck, die Wahl von 2024 wird Putin Prognosen zufolge mit 87 Prozent der Stimmen als Sieger sehen. Der Kreml hat sich vom rechtsstaatlichen Prinzip abgewandt und verstößt gegen internationale Normen. Vorwürfe von Wahlmanipulation und der Unterdrückung Oppositioneller prägen die politische Landschaft. Alexej Nawalny, ein prominenter Kritiker Putins, wurde mehrfach inhaftiert und starb laut Berichten im Gefängnis, was die repressiven Strukturen der gegenwärtigen Regierung verdeutlicht.
Insgesamt zeigen die Entwicklungen in Russland die Gefahren eines Systems, das stark auf persönliche Loyalität und Repressionen angewiesen ist. Scherbakowa und die Organisation Memorial stehen für ein Erinnern an die vergangene Repressionen und für das Aufarbeiten der politischen Geschichte, um eine Grundlage für eine hoffentlich bessere Zukunft zu schaffen.
Für weiterführende Informationen sind hier die Berichte der Krone, von Bluewin und der Landeskundeportal Ost Europa einsehbar.