Wirtschaftsvertreter in Marburg äußern besorgte Kritik am finanz- und wirtschaftspolitischen Kurs der Stadt. Andreas W. Ditze, Vorstand der IHK Kassel-Marburg, warnt vor einer „totalen Fehleinschätzung“ der Lage in der Privatwirtschaft. Nach einer vorübergehenden Senkung der Gewerbesteuer plant die Stadt nun eine Erhöhung, was laut Ditze zu sinkenden Gewinnen der Unternehmen und dementsprechend auch zu geringeren Gewerbesteuereinnahmen führen könnte.
In Anbetracht der aktuell vorherrschenden Probleme in der Privatwirtschaft, einschließlich eines alternden Personalstamms, der Abwerbung von Arbeitskräften durch staatliche Stellen, steigender Mindestlöhne sowie hoher Energie- und Materialpreise, fordert Ditze ein Umdenken. Die IHK erhebt Kritik an der Personalpolitik der Stadt und fordert ein Ende des "personellen Aufblasens" der Verwaltung. Zudem wird die Notwendigkeit von Prozessvereinfachungen und schnelleren Genehmigungen für Unternehmen betont, insbesondere da lange Genehmigungszeiten für Photovoltaikanlagen und Bauprojekte zu einem Rückgang des Interesses an Neubau- oder Erweiterungsprojekten führen.
Auswirkungen auf Unternehmen
Die IHK berichtet zudem von einem Mangel an Gewerbeflächen für Nicht-Pharmabetriebe in Marburg und verweist auf die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die zeigt, dass 38 % der befragten Unternehmen im Jahr 2025 Stellen abbauen wollen. Während 40 % der Firmen von schlechteren Geschäftsaussichten im kommenden Jahr ausgehen, planen lediglich 23 % der Unternehmen mehr Investitionen, während 40 % einen Rückgang erwarten.
Die IHK Kassel-Marburg sieht zudem keine Ambitionen der Stadt, den Wirtschaftsbetrieben aktiv zu helfen und kritisiert die Priorisierung von Kulturförderung über grundlegende wirtschaftliche Bedürfnisse. Ein konkretes Beispiel für die Auswirkungen fehlender Unterstützung ist der Standortwechsel des Softwareunternehmens „weclapp“ nach Gießen, der als Warnung für Marburg interpretiert wird.
Die Diskussion um die geplante Gewerbesteuersenkung in Marburg zeigt hingegen, dass Unternehmer in der IHK-Regionalversammlung die Senkung unterstützen, um ein Zeichen für Unternehmerfreundlichkeit und die Stärkung der lokalen Wirtschaft zu setzen. Diese Senkung betrifft fast tausend Unternehmen und die Mehreinnahmen sollen ein solidarisches Zeichen gegenüber allen Gewerbesteuer zahlenden Unternehmen sein. Laut Peter Lather, dem Vorsitzenden der IHK-Regionalversammlung Marburg, ist die Bedeutung der Mehreinnahmen für die Stadt und die betroffenen Unternehmen enorm, da diese Mittel für Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung und Klimaschutz genutzt werden sollen.
Während die Gewerbesteuersenkung als wichtiges Signal während der Corona-Pandemie betrachtet wird, leisten die Marburger Unternehmen einen erheblichen Beitrag zum Stadtbudget. Im Jahr 2020 finanzierten sie rund 43 % des Haushalts über die Gewerbesteuer, die eine wichtige Einnahmequelle für die Stadt darstellt.
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