EU-Abwasserrichtlinie: Generika-Preise könnten um 875 % steigen!

Die EU-Abwasserrichtlinie trifft die Generikaindustrie hart. Der Österreichische Generikaverband warnt vor drastischen Kostenerhöhungen und möglichen Engpässen bei Medikamenten.
Die EU-Abwasserrichtlinie trifft die Generikaindustrie hart. Der Österreichische Generikaverband warnt vor drastischen Kostenerhöhungen und möglichen Engpässen bei Medikamenten.

Österreich - Der Österreichische Generikaverband warnt vor erheblichen Konsequenzen der novellierten Kommunalen Abwasserrichtlinie (KARL) der EU. Diese Maßnahme soll auf die Reduktion von Mikroschadstoffen, insbesondere Arzneimittelrückständen im Abwasser abzielen. Geplant ist die Einführung einer verpflichtenden vierten Reinigungsstufe in großen Kläranlagen, deren Kosten vornehmlich von den Herstellern von Humanarzneimitteln und Kosmetika getragen werden sollen. Der Verband zufolge wird die Generikaindustrie, die in Europa 70 % aller abgegebenen Arzneimittel ausmacht, etwa 60 % der entstehenden Kosten übernehmen müssen, was zu einer ernsthaften Gefährdung des Zugangs zu lebenswichtigen Medikamenten führen könnte, wie gesundheit-adhoc.de berichtete.

Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes, äußerte, dass die zu zahlende Umweltabgabe die Margen vieler Präparate übersteigen könnte, was potenziell zu einem Rückzug aus dem Markt führen würde. Der Verband fordert eine Lösung, die sowohl Umwelt- als auch Gesundheitsziele berücksichtigt. Fast 60 % der Generika-Packungen kosten weniger als die Rezeptgebühr von 7,55 Euro, und der durchschnittliche Packungspreis in Österreich liegt bei lediglich 2,83 Euro.

Herausforderungen durch hohe Kosten

Über die finanziellen Belastungen der neuen Richtlinie liegen alarmierende Modellrechnungen vor. Beispielsweise könnten die Kosten nach Berechnungen aus den Niederlanden zu Preissteigerungen von bis zu 875 % bei Metformin führen, einem weit verbreiteten Standardpräparat zur Diabetesbehandlung. In Österreich beträgt der Generikaanteil bei Metformin sogar 98 %. Die EU-Kommission schätzt die jährlichen Kosten für die Einführung der zusätzlichen Reinigungsstufen auf 1,18 Milliarden Euro. Alternativen Schätzungen zufolge könnten diese Kosten allerdings bis zu 11 Milliarden Euro betragen.

Um diese Situation zu adressieren, unterstützen mehrere Unternehmen der Generika-Industrie Klagen gegen die Richtlinie beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), darunter namhafte Mitgliedsunternehmen von Pro Generika wie Accord, Fresenius Kabi, Sandoz, Teva, Viatris und Zentiva. Diese Klage reiht sich in die allgemeine Kritik an der Richtlinie ein, die als diskriminierend und unverhältnismäßig betrachtet wird, da sie nur Pharma- und Kosmetikunternehmen für Arzneimittelrückstände in Verantwortung zieht, während andere Verursacher, wie die Landwirtschaft, nicht in den Fokus geraten.

Gefahr für die Arzneimittelversorgung

Experten warnen, dass die Einführung der vierten Klärstufe und die damit verbundenen Kosten eine ernsthafte Gefahr für die Arzneimittelversorgung in Europa darstellen könnten. Die Branche hat bereits mit dem Problem zu kämpfen, dass steigende Kosten nicht auf die Verbraucher übertragen werden können, was die Rentabilität vieler Medikamente gefährdet. Laut einer Schätzung könnten die Herstellungskosten für das Antibiotikum Amoxicillin um bis zu 116 % und für das Diabetesmittel Metformin sogar um bis zu 446 % ansteigen. Der Verband appelliert daher an die Bundesregierung, sich für die Sicherung der Arzneimittelversorgung einzusetzen und auf ein solidarisches Finanzierungsmodell, wie es in der Schweiz existiert, hinzuarbeiten.

Mitglieder der Generika-Industrie sind besorgt, dass die gesetzten Rahmenbedingungen einen Rückgang bei der Verfügbarkeit wichtiger Medikamente zur Folge haben könnten. Kritische Arzneimittel sind oftmals Generika, die 90 % der kritischen Medikamente in Europa ausmachen. Einige Mitglieder argumentieren, dass Arzneimittelrückstände primär aus menschlichen Ausscheidungen stammen und nicht aus der Produktion, weshalb die Verteilung der Kosten nicht gerechtfertigt sei. Die Zukunft der Arzneimittelversorgung in Europa wird damit weiterhin in Frage gestellt, während sich die EU-Mitgliedstaaten bis Mitte Juni entscheiden müssen, ob sie sich der Klage Polens gegen die Richtlinie anschließen möchte. Es bleibt abzuwarten, wie die Klärung dieser Thematik von Seiten der Politik und der Justiz erfolgen wird.

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Vorfall Klage
Ort Österreich
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