In einem bedeutenden Schritt in der Abfallwirtschaft hat Wien Energie in Wien Simmering eine neue Anlage errichtet, die es ermöglicht, Phosphor aus Klärschlamm zu gewinnen. Diese innovative Lösung zielt darauf ab, die Abhängigkeit von importiertem Phosphor zu reduzieren, der in der Landwirtschaft als Dünger verwendet wird. Jährlich könnten Tausende Tonnen dieses Elements aus dem Klärschlamm recycelt werden, anstatt es von weit her zu beziehen.
Der Prozess in der neuen Anlage beginnt mit der Trocknung des Klärschlamms, der zu 96 Prozent aus Wasser besteht. In einer großen Zentrifuge wird das Ausgangsmaterial in einen feinkörnigen Sand verwandelt. Dabei wird Hitze zugeführt, was nicht nur die Trocknung unterstützt, sondern auch die Abwärme zur Einspeisung in das Fernwärmenetz nutzt.
Zweifacher Nutzen des Klärschlamms
Nach dem Trocknungsprozess wird der Klärschlamm verbrannt. Bei dieser Verbrennung bleibt Asche zurück, aus der der Phosphor in einer weiteren Phase gewonnen werden soll. Dieses Verfahren wird aktuell in pilotartigen Kooperationen getestet. Wien Energie plant, in Zukunft eine eigene Anlage zur Phosphor-Abscheidung zu errichten. Momentan bringt die Trocknung jedoch bereits signifikante Vorteile.
Früher musste beim Verbrennen des Klärschlamms aufgrund des hohen Wassergehalts zusätzliches Öl, wie beispielsweise Speiseöl, verwendet werden. Mit der neuen Trocknungstechnologie gelangt man jedoch ohne Hilfsstoffe aus, was zu einer Einsparung von Tausenden Tonnen jährlich führt.
Pionierarbeit in Europa
„Wien gehört zu den ersten Städten in Europa mit solch einer Anlage“, erklärte Wiens Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke bei der Eröffnung. Nur in Hamburg existiert eine vergleichbare Einrichtung, die bereits erfolgreich Phosphor aus der Asche zurückgewinnt. Diese Praxis wird künftig in ganz Europa Standard sein, da die EU die Rückgewinnung von Phosphor durch die novellierte Abfallverbrennungsverordnung ab 2033 zur Pflicht machen wird.
„Phosphor ist ein zentraler Rohstoff für die Landwirtschaft, den wir derzeit aus weit entfernten Ländern, wie Marokko, importieren“, erläuterte der Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky. Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie, sieht das Projekt in Simmering als ein vorbildliches Beispiel für Kreislaufwirtschaft: „Wir müssen zurück zu einer Kreislaufgesellschaft, um sicherzustellen, dass uns die Rohstoffe nicht ausgehen.“
Die neue Anlage wird nicht nur Klärschlamm aus Wien verarbeiten, sondern auch von Gemeinden aus ganz Ostösterreich. Aktuell müssen Gemeinden für die Entsorgung des Klärschlamms bezahlen; in Zukunft könnte dies möglicherweise umgekehrt sein, da der Klärschlamm als wertvolle Ressource betrachtet wird. Es ist sogar denkbar, dass einst als Abfall angesehene Aschemengen wiederverwertet werden, die zuvor auf Deponien gelagert wurden.