In den Kammerspielen der Josefstadt hat die Premiere des Stücks „Nachtland“ von Marius von Mayenburg für Aufregung gesorgt. Die Geschichte dreht sich um ein unscheinbares Aquarell der Wiener Ruprechtskirche, das ein Geschwisterpaar verbindet und nach dem Tod des Vaters auf dessen Dachboden entdeckt wird. Versteckt hinter Skiern und in Zeitungspapier eingewickelt, könnte dieses Bild sich als wertvoll herausstellen, da es mit „A. Hitler“ signiert ist. Die Entdeckung bringt das gesamte Familiengefüge gehörig ins Wanken.
Die Protagonisten, Nicola (Martina Ebm) und Philipp (Oliver Rosskopf), stehen vor der herausfordernden Aufgabe, die letzten Angelegenheiten ihres Vaters zu regeln. Während sie das Gemälde als potenzielle Geldquelle wahrnehmen, entwickelt sich ein Streit darüber, wer es besitzen und wie viel es wert sein könnte. Der Drang nach schnellem Geld auf der einen Seite und familiäre Loyalität auf der anderen schaffen eine explosive Mischung.
Konflikte und Herausforderungen
Die Verwicklungen gehen über reine Geldgier hinaus. Nicola und Philipp müssen sich auch mit ihrer jüdischen Herkunft auseinandersetzen, während ihre Partner, Fabian (Roman Schmelzer) und Judith (Silvia Meisterle), unterschiedliche Perspektiven einbringen. Judith steht darbend inmitten der Konflikte und wird mit tief verwurzelten antisemitischen Vorurteilen konfrontiert, die sowohl schockierend als auch aufschlussreich sind.
Der Druck, das Bild als echt zu deklarieren, führt dazu, dass die Charaktere beginnen, ihre eigene Vergangenheit zu hinterfragen. Strategien werden entworfen, um eine vermeintliche Verbindung zu Hitler zu erstellen, was von der hinzugezogenen Expertin (Susa Meyer) aus dem Auktionshaus begeistert aufgenommen wird. Für sie ist das Kitsch-Objekt mit Geldsegen verbunden; sie sieht das Potenzial, innerhalb von Minuten eine Summe von 100.000 Euro oder mehr abzuschöpfen.
Die Inszenierung bietet schnelle, schlagfertige Dialoge und beleuchtet Themen wie Schuld und Verantwortung. Ramin Gray, der Regisseur, lässt die sprachlichen Auseinandersetzungen und die moralischen Fragestellungen in einem rasanten Tempo aufeinanderprallen. Diese Art von Theater schafft es, die Zuschauer zum Lachen zu bringen, auch wenn die tiefe Reflexion zu kurz kommt.
Obwohl die Darsteller ihr Bestes geben, um die verschiedenen Dynamiken zu zeigen – besonders hervorzuheben ist Silvia Meisterle, die mit viel Leidenschaft agiert – bleibt der Inhalt oft oberflächlich. Die Figuren erfüllen klare Funktionen, zeigen jedoch wenig innere Auseinandersetzung mit den komplexen Themen, die auf der Bühne behandelt werden.
Insgesamt zeigt der Abend eine unterhaltsame aber nicht tiefschürfende Auseinandersetzung mit seinen Themen. Dies sorgt für ein gewisses Unbehagen, da viele der angesprochenen Fragen nur angerissen werden. Das Publikum erlebte einen kurzweiligen Abend mit viel Humor und einigen nachdenklichen Punkten, aber auch einer spürbaren Leere in den zentralen Fragen, die die Zuschauer hätten beschäftigen können.
Das Stück „Nachtland“ läuft noch an mehreren Terminen in den Kammerspielen der Josefstadt, darunter der 25., 27. und 30. Oktober sowie an weiteren Daten bis in den Dezember. Weitere Informationen und Karten sind auf der Website der Kammerspiele verfügbar.