In einem offenen und emotionalen Gespräch mit Wolfgang Höbel für den Spiegel hat der Schriftsteller Clemens Meyer seine Wut über den Verlust des Deutschen Buchpreises zum Ausdruck gebracht. “Es ist eine Scheiße, eine Unverschämtheit”, erklärte er und ließ keinen Zweifel daran, dass die Nichtauszeichnung für ihn eine existenzielle Krise darstellt. Bereits bei der Preisverleihung hatte er wütend den Saal verlassen, was für Gesprächsstoff sorgte. Meyer betonte, es sei in der Literatur durchaus erlaubt zu schimpfen, und verwies auf die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen der Gruppe 47, die früher Emotionen und Meinungsverschiedenheiten offen zur Schau stellten.
Er äußerte seine Sorge darüber, dass viele im Literaturbetrieb kaum nachvollziehen können, wie es ist, mit Schulden und finanziellen Nöten zu leben. Aktuell hat er nur noch 4000 Euro auf dem Konto, und das macht die Situation für ihn umso schwieriger. “Ich muss eine Scheidung finanzieren und habe 35.000 Euro Steuerschulden angehäuft”, so der Autor, der als Resultat des Buchpreises große Hoffnung auf eine finanzielle Besserung setzte.
Frankfurter Buchmesse im Scheinwerferlicht
Währenddessen findet in Frankfurt die Buchmesse weiterhin statt, die in diesem Jahr mit gemischten Gefühlen wahrgenommen wird. Andreas Platthaus von der FAZ berichtet von leeren Gängen an den Fachbesuchertagen, während die “New Adult”-Bereiche am Wochenende von jugendlichen Lesern überrannt wurden. Der frustrierte Kommentator beschreibt die Kombination aus hoher Luft und schlechter Stimmung: immer weniger Aussteller, steigende Standgebühren und eine Verflachung der Inhalte, die sich mit unliterarischen Ständen mischen.
Kathleen Hildebrand von der Süddeutschen Zeitung entdeckte unterdessen, dass die Zukunft der Buchbranche wohl weitgehend in weiblichen Händen liegen wird. Judith von Sternburg hatte sich im Vorfeld der Messe intensiver mit dem italienischen Pavillon beschäftigt und beobachtete, dass die angespannten Diskussionen über die italienische Kultur außerhalb des offiziellen Programms mehr Resonanz finden als innerhalb. Diese Beobachtungen zeigen, dass die kulturellen Strömungen dynamisch und vielschichtig sind, abseits der traditionellen Buchmesse-Ästhetik.
Die Umschläge der Geschlechterrollen in der Literatur scheinen sich auch auf die Themen auszuwirken, die momentan dominieren. Zwei Schriftsteller, Sebastian Schmidt und Clemens Böckmann, erheben in der FAZ die Frage, wo die Väter in der gegenwärtigen Literatur geblieben sind. Während die thematische Auseinandersetzung mit Vaterschaft in der gegenwärtigen Literatur fast nicht existent scheint, ist sie in der Ratgeberliteratur und auf Social Media handlungsfähig, wo sie als leichtes und spielerisches Thema inszeniert wird.
Die Spannung in der Auseinandersetzung um Vaterbilder spiegelt wider, wie die Gesellschaft gegenwärtige Geschlechterrollen hinterfragt und weiterentwickelt. Dies zeigt sich auch in den literarischen Auseinandersetzungen, die die Rolle der Vaterschaft in einem größeren Kontext betrachten. Bevor es zu einer vertiefenden Analyse der Beziehung zwischen Vätern und Kindern kommen kann, benötigt es ein Erzählen, das die Schwierigkeiten und Komplexitäten dieser Beziehung darstellt.
In einem anderen Kontext hat Paul Jandl die Notizbücher von Peter Handke untersucht, die ab 1976 entstanden. Er beschreibt sie als „Projekt der Langsamkeit“, welches in der Literatur einzigartig ist. Handkes Lebensmitschriften seien kein Ort der Selbstverklärung, sondern versuchten, aus einem objektiven Blickwinkel die Welt zu betrachten. Diese Form der schriftlichen Reflexion ermöglicht es Handke, ein bewussteres Lebensgefühl zu entwickeln und die Verbindung zwischen sich und seiner Umwelt zu verstehen.
Die Buchmesse bringt nicht nur neue Leseerlebnisse und Autoren unter ein Dach, sondern auch Diskurse über die Kultur und ihre aktuellen Herausforderungen. Dabei sind die Reaktionen auf die Herausforderungen, vor denen die Branche steht, von Neubewertungen und Kritiken geprägt. Die Messe hat das Potenzial, sich weiterzuentwickeln, muss jedoch gleichzeitig ihre Wurzeln und ursprünglich literarischen Werte schützen.
Einige Autoren haben auch die Verdrängung der alten arabischen Poesie in der heutigen literarischen Landschaft thematisiert. Der Übersetzer Stefan Weidner bedauert, dass diese wichtige Literaturform, die einst bei Goethe eine große Rolle spielte, heute kaum noch präsent ist und mahnt, dass sie für unser kulturelles Gedächtnis von großer Bedeutung bleibt.
Insgesamt zeigt sich auf der Frankfurter Buchmesse ein vielschichtiges Bild, das von Emotionen, Erwartungen und kulturellen Diskursen geprägt ist. Das Geschehen und die Beobachtungen von Autoren und Kritikern blenden die Komplexität der literarischen Welt ein, die nicht nur in Frankfurt, sondern auch weit darüber hinaus wahrgenommen wird.