Im Literaturbetrieb hat sich Ulrike Draesner, eine bemerkenswerte Stimme der deutschsprachigen Autorenschaft, mit ihrem neuesten Werk einen Namen gemacht. Die 62-Jährige, die bereits für ihren letzten Roman „Die Verwandelten“ große Anerkennung erhielt, wagt in ihrem aktuellen Buch „zu lieben“ einen äußerst persönlichen Blick auf das Thema Elternschaft.
Obwohl der Untertitel als „Roman“ angegeben ist, steht das Wort durchgestrichen – ein bewusster Hinweis darauf, dass Draesner hier nicht nur fiktionale Geschichten erzählt, sondern vielmehr ihr eigenes Leben literarisch verarbeitet. Die Erzählung dreht sich um ihre Erfahrungen der Elternschaft; sie beschreibt den emotionalen und oftmals steinigen Weg, den sie und ihr Mann bei der Adoption eines Mädchens aus Sri Lanka beschreiten.
Der Weg zur Familiengründung
Draesner schildert eindringlich die mitunter frustrierenden bürokratischen Hürden, die sie in Sri Lanka überwinden muss. Abgerundet wird dies durch die emotionalen Momente während der Besuche im Kinderheim, wo sie beginnt, eine Beziehung zu ihrer zukünftigen Tochter aufzubauen. Der gesamte Prozess wird von einer tiefen Reflexion über Identität und das Wesen von Familienleben begleitet. „Identität ist kein Zustand, sie ist ein Prozess“, führt sie an und verdeutlicht somit den ständigen Wandel, den Elternschaft mit sich bringt.
Mit einem feinen Gespür für Humor und Ironie beschreibt Draesner ihre Erlebnisse. „An diesem Abend saßen wir auf unserem Bett in Heidis Haus und fühlten uns in etwa so wohl wie zwei indische Motten über einem Becken mit Mottenkugeln“, bemerkt sie, was die Leserinnen und Leser in die emotionalen Höhen und Tiefen ihrer Reise hineinzieht. Die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit macht die Lektüre besonders lebendig.
Ein berührendes Familienporträt
Draesners Erzählung ist nicht nur eine persönliche Memoiren, sondern auch ein wertvoller Beitrag zur aktuellen Diskussion über vielfältige Lebens- und Familienmodelle. Als Dozentin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig bringt sie ihre Expertise in die geschriebene Form ein und schafft es, mit starken Bildern und Metaphern zu punkten. So beschreibt sie ihre Anfangstage in Berlin mit der Metapher einer befeuchteten Glasrand, dessen Klang symbolisch für ihr Gefühl des Zerspringens steht. Diese bildliche Sprache verstärkt die emotionale Kraft ihrer Erzählung.
„zu lieben“ vermittelt nicht nur eine intime Einsicht in Draesners eigene Geschichte, sondern spiegelt auch den gesellschaftlichen Wandel wider, in dem alternative Familienmodelle endlich Platz in der öffentlichen Diskussion finden. Es ist ein Buch, das dazu beiträgt, das Bild von Mutterschaft in der heutigen Zeit neu zu definieren und zu hinterfragen, was es bedeutet, eine Familie zu gründen, wenn die Umstände nicht den traditionellen Vorstellungen entsprechen.
Die Autorin nutzt ihr Talent, um zu zeigen, wie Elternschaft oft ein kreativer Prozess ist, bei dem jedes Mitglied der Familie seine Rolle finden und definieren muss. In einer Zeit, die zunehmend vielfältigere Formen des Zusammenlebens in den Fokus rückt, ist Draesners Werk nicht nur von persönlichem, sondern auch von großem gesellschaftlichem Wert. Weitere Informationen über ihr Buch finden sich im Artikel auf www.shz.de.
Details zur Meldung