In Böblingen wird ein neues Konzept ausprobiert, um den schwindenden Zuspruch zur Kirche zu bekämpfen. Der Märchensonntag soll nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene in die Stadtkirche locken. Das altehrwürdige Gebäude, das majestätisch auf dem Schlossberg thront, sieht an gewöhnlichen Sonntagen nur eine Handvoll Besucher. Pfarrerin Gerlinde Feine erklärt: „Wir zählen an einem typischen Sonntag zwischen 15 und 20 Leuten.“ Das ist ein alarmierendes Zeichen, denn in den vielen evangelischen Gotteshäusern der Region beschränkt sich das Interesse häufig auf die gleichen wenigen Gesichter.
Der Rückgang der Kirchenbesucher ist nicht nur ein lokales Phänomen, sondern spiegelt einen gesamtgesellschaftlichen Wandel wider. Während früher viele Menschen in Württemberg den Gottesdienst selbst am Sonntag als Teil ihres Lebens betrachteten, hat sich diese Tradition stark gewandelt. Die Menschen scheinen immer weniger Zeit oder Interesse für den Kirchgang zu haben, was die Gemeindeleitungen vor große Herausforderungen stellt.
Ein kreativer Ansatz für den Gottesdienst
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setzen viele Gemeinden auf kreative und innovative Formate. In Böblingen ist die Einführung des Märchensonntags ein bedeutender Schritt. Dieser besondere Sonntag wird als Gelegenheit betrachtet, die Werte und die Gemeinschaft rund um die Kirche neu zu beleben. Durch das Erzählen von Märchen wird eine Brücke zwischen Erwachsenen und Kindern geschlagen, und zwar nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Vermittlung von kirchlichen und moralischen Werten. Wer könnte sich nicht an die zeitlosen Geschichten erinnern, die uns von klein auf begleiten?
Der Märchensonntag ist nicht nur ein innovatives Konzept, sondern auch eine strategische Antwort auf die sich wandelnde Gesellschaft. Die Pfarrerin hofft, dass die bunten Geschichten und die interaktive Gestaltung des Gottesdienstes den Menschen ein Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit vermitteln, oder sie zumindest dazu anregen, der Kirche eine Chance zu geben. „Wir möchten die Menschen wieder anziehen, indem wir eine Atmosphäre schaffen, in der sie sich wohlfühlen“, erklärt sie weiter.
Diese Art von Veranstaltungen könnte zukünftige Interessierte anziehen, die vielleicht noch nie zuvor einen Gottesdienst besucht haben oder sich von der herkömmlichen Predigt und dem klassischen Gesang nicht angesprochen fühlen. Die Herausforderung, junge Menschen und Familien wieder in die Kirche zu integrieren, wird zunehmend zur Priorität für viele Gemeinden.
Der Märchensonntag in Böblingen könnte also Signalwirkung für andere Gemeinden haben. Im Kontext einer sich verändernden Welt ist es wichtig, Traditionen neu zu denken und anzupassen. Während die Kirchenaustritte zunehmen, könnte ein solcher Sonntag die Möglichkeit bieten, Menschen erneut mit den Werten der Kirche in Kontakt zu bringen. Es bleibt abzuwarten, ob die Besucherzahlen am kommenden Sonntag ansteigen werden, doch die Hoffnung ist da, dass neue Formate wie dieser Märchensonntag ein Lichtblick darstellen können.
Auf die Frage, warum gerade Märchen für diesen Anlass gewählt wurden, sagt die Pfarrerin: „Märchen tragen Botschaften von Glaube, Hoffnung und Liebe in sich. Sie sind universell und zeitlos und können nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen viel geben.“ In dieser Hinsicht ist der Märchensonntag mehr als nur eine Veranstaltung – er könnte ein Schritt in Richtung einer integrativeren und ansprechenderen Gemeinschaftsbildung sein.
Die Kirche in Böblingen geht also neue Wege, und vielleicht dient dieser Versuch als Modell für andere Gemeinden, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Die Zeit wird zeigen, ob dieses Konzept zu einer Wiederbelebung des Kirchgangs führen kann, doch die ersten Schritte sind gemacht, und das Engagement der Pfarrerin ist unübersehbar.
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