In einem dramatischen Aufschrei aus Washington meldet sich Willi Korte, ein 70-jähriger deutscher Historiker und Jurist, der sich auf die Aufdeckung von Nazi-Raubkunst spezialisiert hat. Er ist entsetzt über die neuen Rückgaberegelungen, die von Kulturstaatsministerin Claudia Roth initiiert wurden. Korte befürchtet, dass Roth sich von den Bundesländern „über den Tisch ziehen lassen“ hat und die Rückgabe von wertvollen Kunstwerken, die einst jüdischen Familien geraubt wurden, auf unbestimmte Zeit hinausgezögert wird.
Im Zentrum der Kontroversen stehen drei bedeutende Kunstwerke: Pablo Picassos Bronzeskulptur „Fernande“ und zwei Gemälde von Paul Klee, die einst dem Kunsthändler Alfred Flechtheim gehörten. Die Erben des verstorbenen Flechtheim, die über ihre deutschen Anwälte Druck ausüben, fordern die Rückgabe. Doch die bayerische Kulturverwaltung hat die entscheidende „Beratende Kommission“ durch noch zu schaffende Schiedsgerichte ersetzt, was den Vorwurf der Verzögerung aufwirft. Korte ist skeptisch und glaubt, dass die neuen Schiedsgerichte die Rückgabe eher behindern als fördern werden.
Schiedsgerichte oder Stillstand?
Die bayerische Regierung, vertreten durch Kunstminister Markus Blume, sieht die Einführung der Schiedsgerichte als einen „großen Schritt“ in der Restitutionsdebatte. Blume argumentiert, dass diese Gerichte auch dann tätig werden, wenn sich eine Seite der juristischen Klärung verweigert. Doch Kritiker wie Korte warnen, dass die Umstellung auf Schiedsgerichte die Rückgabeprozesse unnötig hinauszögert und die Erbenfamilien in eine gefährliche Warteschleife zwingt. „Die Zeit läuft ab“, warnt Korte, da viele Erben nicht mehr lange warten können.
Während Blume betont, dass der Freistaat Bayern sich zur Restitution bekennt und eine objektive Entscheidungsstelle schaffen will, bleibt die Frage, ob die neuen Strukturen tatsächlich die dringend benötigte Beschleunigung bringen können. Die Unsicherheit über die Anzahl und den Zeitrahmen der Schiedsgerichte lässt viele Erben in der Schwebe, während die wertvollen Kunstwerke weiterhin in den Museen verweilen. Die Debatte über die Rückgabe von Raubkunst könnte also in eine gefährliche Stagnation geraten, die die berechtigten Ansprüche der Erben ignoriert.