„Tahsim Durgun: Einblicke in das Leben als Dolmetscher in Deutschland“

Frankfurt am Main, Deutschland - Der als Publikumspreisträger des Grimme-Online-Awards 2024 und des blauen Panthers 2024 ausgezeichnete Tahsim Durgun hat mit seinem Buch „Mama, lern bitte Deutsch“ einen einfühlsamen Blick auf die Herausforderungen von Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland geworfen. Durgun beschreibt seine eigenen Erlebnisse als Kind in einer Einwandererfamilie, darunter die frühe Verantwortung, die ihm und vielen anderen jungen Menschen mit Migrationshintergrund auferlegt wird. Bereits vor dem Abschluss der Grundschule muss Durgun Abschiebebescheide für seine Mutter entziffern und begleitet sie als Dolmetscher zu Arztbesuchen. Er reflektiert die komplexen Gefühle von Hilflosigkeit, Angst und Überforderung, die häufig in einer postmigrantischen Gesellschaft auftreten. Das Buch ist nicht nur eine persönliche Erzählung, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Bürokratie und den damit verbundenen Herausforderungen.

Seine Lehrer scheinen Durgun und seiner generation oft einseitige Perspektiven zu bieten. Trotz guter Noten erhalten viele dieser Schülerinnen und Schüler häufig nur eine Hauptschulempfehlung, was die strukturellen Ungleichheiten im Bildungssystem verdeutlicht. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass sie Deutschland in ihrer Gesamtheit oft nicht verlassen dürfen, da ihnen gültige Reisedokumente fehlen. Durgun nutzt Intelligenz, poetische Sprache und Humor, um die Realität für viele von ihnen greifbar zu machen.

Postmigrantische Gesellschaft und Identitätsfragen

Deutschland befindet sich gegenwärtig in einem Prozess der Neuaushandlung von Zugehörigkeiten und Identitäten, wie die Bundeszentrale für politische Bildung feststellt. In diesem Kontext spielt der Begriff „postmigrantisch“ eine zentrale Rolle. Er beschreibt die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse nach der Migration, die keineswegs das Ende der Migration bedeuten. Die postmigrantische Gesellschaft ist geprägt von einem stetigen Wandel hin zu einer heterogenen Struktur, in der Einwanderung und Auswanderung als unveränderliche Phänomene anerkannt werden. Migration ist bereits Teil des Alltags in Deutschland: Jeder dritte Bürger hat Migrationsgeschichten in der Familie, und in Großstädten wie Frankfurt am Main beträgt der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund unter sechs Jahren sogar 75,6%.

Die gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen müssen an diese Migrationsrealitäten angepasst werden. Während zunehmend Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beanspruchen, deutsch zu sein, zeigt sich ein tief sitzendes Problem: In der Bevölkerung haben 20% einen Migrationshintergrund, doch nur ein geringer Anteil in Schlüsselpositionen, wie etwa im öffentlichen Dienst oder in der Medienberichterstattung, stellt dies auch adäquat dar. Das verdeutlicht die Repräsentationslücken in der Gesellschaft, die dringend adressiert werden müssen.

Rassismus und Herausforderungen der Integration

Begleitend dazu gibt es eine zunehmende Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung. Diese Erfahrungen sind für viele Menschen in Deutschland alltäglich. Es bestehen zahlreiche politische Initiativen und Organisationen, die diese Taten dokumentieren und aufdecken. während es in den 1990er Jahren schwierig war, Rassismus als gesellschaftliches Problem zu erkennen, gibt es heute zunehmend einen Diskurs darüber in den Medien und der politischen Sphäre. Studien zeigen, dass migrationsbezogene Konflikte auch als Signale einer gelingenden Integration gesehen werden können.

Die postmigrantische Gesellschaft wird in der Migrationsforschung intensiv diskutiert. Sie stellt nicht nur Migration in den Mittelpunkt, sondern reflektiert auch, wie Zugehörigkeitskonzepte und Identitätsfragen eng miteinander verknüpft sind. Der Begriff „postmigrantisch“ umfasst dabei nicht nur die Migranten selbst, sondern auch die Gesellschaft, die sich an diese neuen Realitäten anpassen muss. Das Integrationsparadox und die Notwendigkeit eines erweiterten Integrationsbegriffs sind Kernfragen, die in dieser Diskussion unerlässlich sind.

Insgesamt wird deutlich, dass die Herausforderungen für eine gleichberechtigte und inklusive Gesellschaft noch lange nicht bewältigt sind. Tahsim Durguns Buch bietet eine wertvolle Perspektive auf diese Thematik und steht ab sofort in der Buchhandlung „Das Buch“ zur Verfügung oder kann versandkostenfrei bestellt werden.
vol.at, bpb.de, academia.edu.

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Ort Frankfurt am Main, Deutschland
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