Pionier der Abtreibungspille RU-486: Émile Baulieu mit 98 Jahren gestorben

Étienne-Émile Baulieu, Erfinder der Abtreibungspille RU-486, ist am 30. Mai 2025 im Alter von 98 Jahren in Paris verstorben.
Étienne-Émile Baulieu, Erfinder der Abtreibungspille RU-486, ist am 30. Mai 2025 im Alter von 98 Jahren in Paris verstorben.

Paris, Frankreich - Étienne-Émile Baulieu, ein herausragender französischer Mediziner und Forscher, ist am Freitag im Alter von 98 Jahren in Paris verstorben. Seine Ehefrau, Simone Harari Baulieu, bestätigte den Tod des Wissenschaftlers, der vor allem für die Entwicklung der Abtreibungspille RU-486 (Mifegyne) bekannt ist. Baulieu wurde am 12. Dezember 1926 in Straßburg geboren, als Sohn jüdischer Eltern, und trat schon im Alter von 15 Jahren der Widerstandsbewegung gegen die Nationalsozialisten bei.

Mit einem Doktortitel in Medizin und einem weiteren in Naturwissenschaften war Baulieu auch als Endokrinologe aktiv. 1963 gründete er die Forschungsabteilung 33 am Inserm, die sich mit Hormonen beschäftigte. Diese leitete er bis 1997. Die Abtreibungspille, die er 1982 entwickelte, ermöglicht eine freiwillige medikamentöse Schwangerschaftsunterbrechung. Diese bedeutende Erfindung war nicht ohne Kontroversen; Baulieu sah sich häufig heftiger Kritik sowie Drohungen von Abtreibungsgegnern ausgesetzt.

Ein Pionier für reproduktive Autonomie

Baulieu beschäftigte sich intensiv mit Geschlechtshormonen und den bedeutenden sozialen Implikationen, die aus reproduktiver Autonomie resultieren. Sein Ziel war es, den „Schmerz und die Strafe“ zu lindern, die mit Abtreibungen verbunden sind. Er schlug vor, eine Molekülverbindung zu entwickeln, die Progesteron nachahmt, um zu verhindern, dass sich eine befruchtete Eizelle im Uterus festsetzen kann. Dies eröffnete die Möglichkeit, Schwangerschaften pharmakologisch zu beenden, anstatt chirurgische Eingriffe vorzunehmen.

Nach monatelangen Experimenten wurde RU-486 erfolgreich von einem Chemiker des Unternehmens Roussel-Uclaf synthetisiert. Klinische Tests zeigten, dass das Medikament in Kombination mit einem weheninduzierenden Partner eine nahezu hundertprozentige Erfolgsrate aufwies. Trotz der anfänglichen Zusage von Roussel-Uclaf, das Medikament auf den Markt zu bringen, sah sich Baulieu mit starkem Widerstand von katholischen Extremisten konfrontiert. Dies führte zu Versuchen, das Medikament vom Markt zu nehmen, da der Konzern Druck von der Kirche und Boykottandrohungen erhielt.

Politische Intervention und gesellschaftliche Relevanz

Baulieu erlebte, wie die französische Regierung letztlich eingriff, indem sie drohte, das Patent von Roussel-Uclaf zu entziehen. Dies führte dazu, dass das Unternehmen seine Entscheidung revidierte und RU-486 wieder in den Verkauf brachte. Der damalige französische Gesundheitsminister erklärte, dass dieses Medikament zur „moralischen Eigenschaft der Frauen“ geworden sei.

RU-486 wurde im September 1988 in Frankreich genehmigt, und seine Einführung war von gesellschaftlichen Spannungen begleitet. Die Diskussion über Abtreibung wirft auch Fragen zu reproduktiven Rechten auf, die international als Menschenrechte anerkannt sind. Die UN-Frauenrechtskonvention und andere völkerrechtliche Instrumente garantieren das Recht auf reproduktive Gesundheit, einschließlich der Entscheidungsfreiheit in Bezug auf Schwangerschaften. In Deutschland jedoch bleibt der Zugang zu sicheren, legalen Abtreibungen und Verhütungsmitteln ein strittiges Thema, das oft von einer rechtlichen Diskussion geprägt ist, in der die Rechte des Embryos über die Selbstbestimmung der Schwangeren gestellt werden.

Baulieu hinterlässt drei Kinder, acht Enkelkinder und neun Urenkel. Die Auswirkungen seiner Arbeit und die damit verbundenen Debatten über reproduktive Gesundheit und Rechte werden sicherlich auch weiterhin in der Gesellschaft diskutiert werden.

Details
Vorfall Sonstiges
Ort Paris, Frankreich
Quellen