Im November verwandelt sich Wien in eine Festspielbühne für zeitgenössische Musik, wenn das Festival Wien Modern in seine 37. Runde geht. Gegründet von dem legendären Dirigenten Claudio Abbado, ist es längst ein zentraler Bestandteil des kulturellen Kalenders der Stadt. Die Atmosphäre ist lebhaft, und 30.000 Besucher strömen jährlich in die verschiedenen Spielstätten, um Werke von über 130 Komponisten zu erleben. In diesem Jahr stehen im Rahmen von 32 Tagen sogar 50 Uraufführungen auf dem Programm.
Ein besonders kurvenreicher Höhepunkt des Festivals ist ein überraschend kreatives kulinarisches Ereignis. Unkonventionell und ein bisschen schräg – der neugotische Festsaal des Wiener Rathauses wird in eine Küche verwandelt, wo die Studierenden zweier Musikuniversitäten das Werk der Fluxus-Künstlerin Alison Knowles mit dem Titel «Proposition #2» auf eine ganz neue Weise interpretieren. Das Motto des Werkes ist einfach und prägnant: «Mach einen Salat.» Dies wird sogar zu einem Teil der Festivalerfahrung, bei dem die Kunst der Musik und der Kochen miteinander verschmelzen.
Vielseitige Angebote und zugängliche Kunst
Doch Wien Modern hat weit mehr zu bieten als nur immer wiederkehrende musikalische Klänge. Die Festivalleitung unter Bernhard Günther legt großen Wert auf Zugänglichkeit und die Vernetzung des Publikums. Das diesjährige Motto «Und jetzt alle zusammen» könnte nicht passender gewählt sein, um das soziale Miteinander zu betonen, was in der heutigen Zeit wichtiger denn je erscheint. Die Idee, nicht nur die Musik zu teilen, sondern auch den Raum für Austausch zu öffnen, ist hier von zentraler Bedeutung.
Die Schauplätze reichen von den ehrwürdigen Sälen des Musikvereins bis hin zu unkonventionellen Orten wie dem charmant heruntergekommenen Reaktor in Wien-Ottakring. Hier wird mit «Die Puppe» ein charmantes Stück inszeniert, das humorvoll die Beziehung zwischen Mensch und Puppe, oder auch einer Art künstlichem Wesen, hinterfragt. Das Ensemble Phace, geleitet von François-Pierre Descamps, rundet dieses Objekttheater mit lebendigen Klängen ab und schafft so eine Verbindung zwischen Musik und Bewegung.
Eine weitere Errungenschaft des Festivals ist die Einbeziehung lokaler und internationaler Künstler. Der Schweizer Beitrag mit den beweglichen Klangobjekten von André und Michel Décosterd fasziniert das Publikum durch seine ungewöhnliche Ästhetik und die kunstvolle Gestaltung. In Kombination mit eindrucksvoller Musik entsteht so eine unvergleichliche Sensorik, die die Grenzen des Gewöhnlichen sprengt.
Erwähnenswert ist ebenfalls das Programm des Theaters für die Kleinen, wo Schönberg’s Märchen «Die Prinzessin» in einer kindgerechten Inszenierung zum Lacher für die Jüngsten wird. Mit Kreativität und Witz wird hier eine Brücke zwischen den Generationen geschlagen, die vielleicht die zukünftigen Liebhaber der zeitgenössischen Musik inspirieren könnte.
Neugierige Herzen und offene Ohren
Inmitten aller künstlerischen Experimentierfreude regiert eine spürbare Neugier. Die Zeiten, in denen zeitgenössische Musik als elitär oder schwer verständlich wahrgenommen wurde, sind vorbei. Das Festival zeigt sich durchlässig und ermutigt zur Diskussion über die präsentierte Kunst. Gesprächszonen könnten helfen, den Austausch zwischen den Besuchern zu fördern, und könnten weit über die theoretischen Inhalte des Programms hinausgehen. Schließlich sind es die Gespräche, die diese Kunst lebendig machen und neue Perspektiven eröffnen.
Das Festival Wien Modern ist somit viel mehr als nur eine Zusammenstellung von Konzerten und Aufführungen. Es ist ein Ort, an dem sich Tradition und Moderne, Kunst und Genuss, sowie Gemeinschaft und Individualität begegnen. Es lädt alle ein, gemeinsam in die Welt der neuen Klänge einzutauchen und sich mit ebenso kreativen Köpfen zu verbinden. Mehr dazu lässt sich in einem ausführlichen Beitrag auf www.nzz.ch nachlesen.
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