
In Wien wurde bis jetzt nur eine von mehreren neuen Kassenstellen besetzt, speziell im Bereich der Haut- und Geschlechtskrankheiten in Floridsdorf. Diese Entwicklung hat bei vielen Experten Besorgnis ausgelöst. Der Präsident der Ärztekammer, Thomas Steinhart, äußerte sich kritisch über die Situation: „Wir haben eine dringend nötige Reform, aber wenn niemand die neuen Stellen annimmt, verpuffen die Verbesserungen.“ Die Problematik dreht sich vor allem um die Besetzung von Ärztestellen, für die viele Mediziner nicht bereit sind, sich zu verpflichten.
Die Ärztekammer berichtet, dass bis Ende Oktober in Wien 54 Planstellen für Allgemein- und Fachmedizin noch immer unbesetzt sind, obwohl diese Stellen mehrfach ausgeschrieben wurden. Zudem steht das Reform-Paket für die Einführung von 22 weiteren Kassenstellen bereit, wozu ein Anreiz von 100.000 Euro pro Stelle offeriert wird. Trotz dieser Angebote scheint es, als ob Medizinerinnen und Mediziner vor allem das Wahlärztesystem bevorzugen. Dieses System bietet mehr Flexibilität und bessere Verdienstmöglichkeiten als die Kassenpraxen.
Diskussion um Rahmenbedingungen
Die Ärztekammer hebt hervor, dass die Ursachen für die fehlenden Bewerber an strengen Rahmenbedingungen und der finanziellen Unterversorgung der Kassenpraxen liegen. Steinhart fordert daher tiefgreifende Reformen und höhere Honorare für die Ärzte. Er erklärt, dass die „starre Struktur und die unzureichende Honorierung“ das Kernproblem darstellen und nur durch grundlegende Änderungen das Ziel der Verbesserung der Patientenversorgung erreicht werden kann.
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) gibt sich optimistischer und verweist auf laufende Verhandlungen zur Verbesserung der Situation. „Für 20 neue Stellen sind wir bereits in der Endphase oder zumindest in der Prüfung“, so ein Sprecher der ÖGK. Er fügte hinzu, dass erste Ergebnisse im ersten Halbjahr 2025 erwartet werden können. Dennoch sind viele Patienten weiterhin mit langen Wartezeiten konfrontiert, um einen Arzttermin in Wien zu erhalten.
Ein weiteres Problem zeigt sich in der Unklarheit über die Anzahl der unbesetzten Stellen in Wien. Während die Ärztekammer angibt, dass von 800 Stellen für Allgemeinmedizin 34 unbesetzt sind, meldet die ÖGK lediglich eine einzige unbesetzte Stelle. Thomas Steinhart kritisiert die Zahlen der ÖGK als nicht zutreffend und präsentiert diese als unrealistisch, da sie wichtige Daten zu unbesetzten oder nicht eröffneten Stellen nicht berücksichtigen.
Kreative Lösungen zur Entlastung
Um kurzfristig die Versorgung zu verbessern, setzen die Verantwortlichen in Wien auf Pop-Up-Ordinationen. Der Ärztefunkdienst betreibt aktuell solche temporären Praxen in den Bezirken 15 und 23. Diese Maßnahme wird als notwendig erachtet, obgleich sie nur als vorübergehende Lösung angesehen wird. Steinhart betont, dass solche Übergangslösungen zwar wichtig sind, aber keine langfristige Antwort auf die Herausforderungen im Gesundheitswesen bieten können.
Ein vielversprechender Ansatz für die Zukunft sind die Primärversorgungseinheiten (PVE), die verschiedene Gesundheitsberufe an einem Standort bündeln. Derzeit existieren in Wien 24 solcher Einheiten, und es wird geplant, bis Ende 2025 auf 36 zu erweitern. Laut Martin Heimhilcher, dem Vorsitzenden des Landesstellenausschusses der ÖGK Wien, sieht er die Entwicklungen positiv: „Wir sind auf einem guten Weg“. Im Jahr 2025 sollen zudem mehrere neue Kinderversorgungseinheiten eingerichtet werden.
In einem Interview äußerte sich Naghme Kamaleyan-Schmied, Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte, ebenfalls zur PVE und schlug ein neues Modell namens „PVE Light“ vor. Dieses Modell soll die Förderung von Ein-Personen-Praxen erleichtern, indem die Anstellung von diplomiertem Pflegepersonal oder sozialer Arbeit finanzielle Unterstützung erhält. Kamaleyan-Schmied betont die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung von Zentren und Einzelordinationen, um die allgemeinen Versorgungsstandards zu verbessern.
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