Im Gespräch mit Anna, einer ehemaligen Polizistin in ihren frühen Zwanzigern, wird deutlich, wie herausfordernd und belastend der Dienst in der Polizei sein kann. „Ich hatte zwischen 80 und 100 Überstunden im Monat“, berichtet sie und ergänzt, dass die 24-Stunden-Dienste oft länger dauerten und sie sogar an freien Tagen arbeiten musste. Trotz ihrer Leidenschaft für den Beruf entschied sie sich schließlich, zu kündigen. Ein entscheidender Faktor war der Sexismus, den sie als Frau in einer von Männern dominierten Umgebung erlebte. Diese Erfahrungen waren für sie nicht länger tragbar.
Anna, deren Name zu ihrem Schutz verändert wurde, spricht im WZ-Podcast „Weiter gedacht“ über ihre Zeit bei der Polizei. Der Podcast wird von Petra Tempfer und Mathias Ziegler moderiert und beleuchtet Anas Beweggründe, sich von ihrem Job zu trennen. Sie erzählt, dass sie ursprünglich Polizeibeamtin werden wollte, um anderen Menschen zu helfen; diese Idealvorstellung wurde jedoch durch die Realität ihrer Arbeit stark beeinträchtigt.
Der Weg zur Physiotherapie
Nach vier Jahren im Polizeidienst hat Anna eine neue Richtung eingeschlagen und absolviert nun eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Dazwischen hat sie in einem Kindergarten als Betreuerin gearbeitet. Ihr Wechsel in einen weniger belastenden Job zeigt, wie wichtig es ist, die eigene mentale Gesundheit zu priorisieren. Anna ist ein Beispiel für viele, die in stressigen Berufen arbeiten und schließlich den Mut finden, einen Neuanfang zu wagen.
Der Frauenanteil in der Polizei liegt derzeit bei etwa 30 Prozent, doch in Führungsetagen sind es nur 10 Prozent. Das Innenministerium weist darauf hin, dass der Anteil von Frauen in der Grundausbildung 38 Prozent beträgt, mit einigen Klassen, die mehrheitlich weiblich sind. Dennoch gibt es weiterhin massiven Handlungsbedarf, insbesondere im Hinblick auf Gleichstellung in Führungspositionen.
Sexismus ist ein weit verbreitetes Problem in vielen Berufen, und in der Polizei scheint es keine Ausnahme zu sein. Konkrete Zahlen sind schwer zu bekommen, jedoch berichtet die Personalvertretung von einigen wenigen bekannten Fällen. Ein weiterer Aspekt, der zu dieser Misere beiträgt, ist der Personalmangel. Derzeit mangelt es an mehreren tausend Polizisten, was zu einem enormen Überstundenaufkommen führt. 2023 wurden insgesamt zehn Millionen Überstunden gezählt – das sind durchschnittlich 23 Überstunden pro Polizisten im Monat. In besonders beanspruchten Dienstbereichen, wie dem Streifendienst in Wien-Favoriten, können es sogar bis zu 100 Überstunden im Monat sein.
Die Gewerkschaft hebt hervor, dass der Personalmangel kein neues Phänomen ist und seit Jahren besteht. Obwohl für 2024 die Zahl der Polizeiangestellten auf einen Höchststand von rund 32.000 angehoben werden soll, ist die Situation weiterhin besorgniserregend. Ein Volksbegehren mit dem Titel „Polizei – kritischer Personalmangel“ fordert eine grundlegende Reform, um die Exekutive um mindestens 25 Prozent aufzustocken und angemessene Gehälter zu gewährleisten. Der deutliche Mangel an Personal hat nicht nur Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft, sondern trägt auch zu einem erhöhten Stresslevel unter den Beamten bei.
Es bleibt abzuwarten, wie die Verantwortlichen auf die Lage reagieren werden, doch Anna ist sich sicher, dass solche Themen nicht ignoriert werden dürfen. Ihr Beispiel zeigt, dass es an der Zeit ist, Veränderungen sowohl in der Polizeikultur als auch in der Personalpolitik zu beginnen. Anna hat für sich selbst eine Entscheidung getroffen, die ihren Lebensweg verändert hat – und möglicherweise inspiriert sie damit auch andere, ihre eigene Lebenssituation zu überdenken. Weitere Details zu dieser spannenden Thematik bietet ein umfassender Beitrag auf www.wienerzeitung.at.
Details zur Meldung