In Österreich stellt sich aktuell die drängende Frage: Lässt der Staat Opfer von sexueller Gewalt im Stich? Diese Problematik wird in einer aufschlussreichen Coverstory von Iris Bonavida und mir beleuchtet. Bereits im Dezember des vergangenen Jahres kam die Bundesregierung zum vierten Gewaltschutzgipfel zusammen und präsentierte neue Maßnahmen, die einen verstärkten Kampf gegen Gewalt an Frauen zum Ziel haben. Besonders hervorgehoben wurde hierbei die Einrichtung von Gewaltambulanzen, die dazu beitragen sollen, die Dokumentation zu verbessern und damit die Verurteilungsquote zu steigern.
Es ist alarmierend, denn bei Vergewaltigungen führen lediglich 8,6 Prozent zu einer Verurteilung. Ein Hauptgrund dafür ist, dass die Beweise oft nicht ausreichen. Im Jahr 2023 wurden in Österreich 1652 Vergewaltigungen angezeigt, doch nur 127 Verurteilungen wurden ausgesprochen. Die erschreckende Wahrheit ist, dass viele Opfer sich gar nicht erst zur Justiz wenden, was diese Zahlen umso dramatischer macht.
Ein Beispiel aus der Praxis
Ein konkretes Beispiel für die Schwierigkeiten, mit denen Opfer konfrontiert sind, ist der Fall von Céline. Diese hat uns in Wien getroffen, wo sie mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Lebensgefährten lebt. Im März wurde Céline in der Viktorgasse im 4. Bezirk vergewaltigt. Ihr Angreifer konnte zunächst fliehen, wurde jedoch einige Tage später von der Polizei gefasst und schließlich zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Trotz dieses Schuldspruchs bleibt für Céline die Angst bestehen, die mit solch einem brutalen Vorfall verbunden ist.
Nach dem Übergriff wurde Céline von einer Polizistin ins AKH gebracht, jedoch gibt es in Wien keine Gewaltambulanz. Dies ist enttäuschend für viele, da die Regierung im Vorfeld etwas anderes versprochen hatte. Ebenso sollte im Sommer nach dem Pilotprojekt in Graz eine zweite Gewaltambulanz in Wien folgen, auch weitere Standorte in Innsbruck und Salzburg waren geplant. Doch bislang ist dieses ambitionierte Vorhaben nicht umgesetzt worden.
Aktuelle Informationen zeigen, dass das Pilotprojekt in Graz zwar existiert, jedoch die angepriesenen Standards nur teils erfüllt werden. Die Versorgung ist oft mangelhaft: Eine 24-Stunden-Bereitschaft gibt es nur an Wochenenden und Feiertagen, und fast 70 Prozent aller Untersuchungen müssen mobil durchgeführt werden, da die Ärtzinnen drei Bundesländer abdecken. Diese Situation wirft ernsthafte Fragen auf: Warum bleibt die Umsetzung der versprochenen Gewaltambulanzen aus? Hat die Politik zu viel versprochen?
Der Fall von Céline ist nur ein Beispiel innerhalb des größeren Kontextes dieses Problems. Es bleibt abzuwarten, wie die kommenden Regierungsmaßnahmen die Situation beeinflussen werden. Die dringende Notwendigkeit für effektive Unterstützung und Schutzmaßnahmen für Opfer von sexueller Gewalt bleibt ein zentrales Thema, das auch in den kommenden Diskussionen Priorität haben muss.
Für weitere Informationen und tiefere Einblicke in diese Problematik verweisen wir auf den ausführlichen Bericht in der aktuellen profil-Coverstory.