In Deutschland gibt es mehr als 300.000 Menschen mit Behinderung, die in speziellen Werkstätten arbeiten und dabei nur durchschnittlich 220 Euro im Monat verdienen. Das macht einen Stundenlohn von lediglich etwa 1,46 Euro. Diese Summe liegt weit unter dem gesetzlich festgelegten Mindestlohn. Aus diesem Grund verlangen viele Mitarbeiter der Werkstätten eine Erhöhung ihrer Bezahlung.
Tanja Schmitt, die seit 1999 in einer Werkstatt der AWO beschäftigt ist, äußert ihren Unmut über die unfaire Bezahlung. „Es ist nicht gerecht, dass wir nicht die gleichen Löhne erhalten wie Kolleginnen und Kollegen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“, erklärt die 49-Jährige. Ihre Kollegin, Katja Kaiser, die aufgrund psychischer Erkrankungen in einer Werkstatt arbeitet, schließt sich diesem Anliegen an. „Wir merken, dass unsere Arbeit genauso wertvoll ist und wir eine angemessene Bezahlung verdienen“, fügt sie hinzu. Beide engagieren sich im Werkstattrat, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen.
Die Komplexität des System
Die Diskussion um die Bezahlung in Werkstätten zieht sich bereits seit Jahren und betrifft viele Bereiche. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Ensdorf kennt die Problematik genau. Julien Boussonville, der die Werkstätten für Menschen mit Behinderung leitet, spricht von einem verwickelten System von Hilfen und Aufstockungen, das die Situation der Mitarbeiter erschwert. Er sieht momentan keine Möglichkeit, einen Mindestlohn ohne externe Förderungen zu realisieren. „Es ist bedauerlich, dass wir ohne zusätzliche Mittel keine fairen Löhne zahlen können“, erläutert er.
Das Werkstattsystem ist eine Mischung aus sozialer Einrichtung und wirtschaftlichem Betrieb. Dies führt zu verschiedenen Herausforderungen: einerseits die Notwendigkeit, wirtschaftlich zu agieren, andererseits die Verpflichtung, sich um die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu kümmern. Daniel Bieber, ehemaliger Behindertenbeauftragter des Saarlandes, hebt hervor, dass die Bezahlung und Erfüllung des Inklusionsauftrags in diesem Rahmen oft zu kurz kommen.
„Ich plädiere dafür, dass die Subventionen für Werkstätten von der Erreichung der Inklusionsquote abhängen sollten, um Veränderungsdruck zu erzeugen“, sagt Bieber.
Eine Vielzahl von Mitarbeitern
Im Druck-Center der Reha GmbH in Saarbrücken arbeiten rund 550 Menschen mit Behinderungen an sechs verschiedenen Standorten. Jörg Denne, der dort seit 30 Jahren tätig ist, kritisiert, dass Bonuszahlungen oft von den Löhnen abgezogen werden. Leiterin Tanja Gailing widerspricht den Vorwürfen bezüglich niedriger Eingliederungsquoten und erklärt, dass Barrieren im Arbeitsmarkt sowie Einstellungen von Menschen selbst oft die Vermittlung in reguläre Jobs erschweren.
Um die Situation zu verbessern, werden momentan zwei Vorschläge diskutiert: ein Grundeinkommen für Werkstattmitarbeiter oder die Einführung eines Mindestlohns mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Katja Kaiser und Tanja Schmitt setzen sich für eine gerechtere Entlohnung ein und sind entschlossen, Druck auf die Verantwortlichen auszuüben.
Für mehr Informationen zu diesem Thema, siehe den Bericht auf www.sr.de.