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Die Diskussion um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der medizinischen Praxis hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Besonders nach dem Symposium „Mensch und KI. Die Zukunft von Medizin und Pflege“, das Anfang November vom Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) im Wiener Raiffeisen-Forum veranstaltet wurde, steht die Thematik wieder im Fokus. Rund 200 Teilnehmer und internationale Experten aus verschiedenen Fachrichtungen kamen zusammen, um über Chancen und Herausforderungen der KI im Gesundheitswesen zu debattieren. Dieser Austausch wird bald in Form eines Tagungsbandes und als Audiothek veröffentlicht.
Ein zentrales Anliegen des Symposiums war die kritische Auseinandersetzung mit den Erwartungen, die an KI gestellt werden. Giovanni Maio, ein deutscher Ethiker, warnte davor, dass mehr Daten über die Patienten nicht automatisch zu besseren Diagnosen führen. „Es wäre eine Missachtung der ärztlichen Verantwortung, unreflektiert einem Algorithmus zu folgen“, äußerte Maio und betonte, dass KI immer nur einen Teilaspekt einer komplexen medizinischen Realität darstellen könne.
Die Stärken der KI in der Bilddiagnostik
Dennoch gibt es Bereiche, in denen die KI vielversprechende Lösungen bietet. Harald Kittler, ein Wiener Dermatologe, wies auf die Möglichkeiten der KI in der bildgebenden Diagnostik hin, insbesondere bei der Erkennung von Hautkrebs. Dort könne KI durchaus eine Überlegenheit gegenüber menschlichen Ärzten zeigen. Es gehe jedoch nicht um ein Konkurrenzverhältnis zwischen Mensch und Maschine, sondern um eine Zusammenarbeit. Kittler stellt sich die Entwicklung einer App vor, die es Nutzern erlaubt, Hautveränderungen selbst zu überprüfen, um schneller beim Hausarzt zu sein. Allerdings gibt es hier auch Bedenken, dass solche Technologien Falschdiagnosen produzieren könnten, was unnötige Patientenschlangen schaffen könnte.
Erstaunlicherweise gaben unerfahrene Ärzte beim Symposium an, am meisten von KI unterstützt zu werden. Doch die Gefahr besteht darin, dass weniger erfahrene Mediziner den Ergebnissen von fehlerhaften KI-Modellen blind vertrauen. Kritisiert wurde auch die Tatsache, dass das Medizinstudium bisher kaum auf den Umgang mit KI vorbereitet.
Ein weiterer Fokus der Veranstaltung lag auf den Einsatzmöglichkeiten von Robotern in der Pflege. Arne Manzeschke, ein Gerontologe, machte deutlich, dass Roboter für logistische Aufgaben sinnvoll sein könnten, jedoch nicht für zwischenmenschliche Interaktionen in der Pflege. Manzeschke warnte vor einer potenziellen „intellektuellen Trägheit“ im Umgang mit ethischen Fragestellungen rund um KI, was sowohl für die Entwicklung als auch für die Anwendung problematisch sein könnte.
Die Bedeutung der menschlichen Komponente
Das Symposium thematisierte auch die häufig geäußerte Hoffnung, KI könne den Pflegekräften mehr Zeit für die direkte Betreuung von Patienten verschaffen. Giovanni Rubeis, ein Biomediziner, wies darauf hin, dass die Übertragung datenerheblicher Aufgaben an KI sinnvoll sein kann, jedoch nicht zu einem „digital überwachten Patienten“ führen sollte. Kritiker wie die Präsidentin der Austrian Association of Occupational Science, Mona Dür, verdeutlichten, dass es keine Belege dafür gibt, dass KI tatsächlich mehr Zeit für die Patientenkontakt bringt. Stattdessen könnte die gewonnene Zeit einfach dazu verwendet werden, noch mehr Patienten schnell zu behandeln.
Ein zentraler Punkt, der immer wieder zur Sprache kam, war die Notwendigkeit einer menschlichen Dimension in der Medizin. Oskar Aszmann, ein plastischer Chirurg, stellte klar, dass keine Technologie das Gefühl der menschlichen Berührung ersetzen könne. Die menschliche Hand sei durch ihre Sinneswahrnehmung unerlässlich für das Wohlbefinden und könnte nicht durch technische Lösungen ersetzt werden.
Der Fortschritt in der KI und deren Implementierung in der medizinischen Praxis hängt stark vom politischen Willen ab, denn das derzeitige Gesundheitssystem belohnt innovative Ansätze oft nicht. Jama Natequi, ein Pionier in der medizinischen KI, betonte die Notwendigkeit, die Entwicklung von KI-Tools, die auf Effizienz und Patientenwohl ausgerichtet sind, weiter voranzutreiben.
Bei all diesen Fortschritten bleibt die Grundfrage, was „gute“ Medizin und Pflege ausmacht. Die IMABE-Direktorin Susanne Kummer fasste zusammen, dass die Technologie als Hilfsmittel angesehen werden sollte, um das Ethos von Fürsorge und Empathie aufrechtzuerhalten. Es müsse eine Balance zwischen den Möglichkeiten der KI und der essentiellen menschlichen Komponente in der Medizin gefunden werden.
Die Erkenntnisse und Diskussionen des Symposiums werden demnächst in einer Ausgabe der Zeitschrift „Bio.Ethik.Praxis“ veröffentlicht, die sich weiter mit diesen wichtigen Fragen der Medizinethik auseinander setzt.
Quelle: kathpress
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