Das Tanzstück „Ukiyo-e“ des belgisch-marokkanischen Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui sorgt derzeit für Aufsehen in Ludwigshafen. Mit seiner Inszenierung thematisiert Cherkaoui die Beziehung zwischen Individuum und Gemeinschaft auf bemerkenswerte Weise und zeigt, wie Vertrauen und Unterstützung in einer Gruppe entstehen können. Die Protagonisten stürzen sich von hohen, beweglichen Treppen ins Unbekannte, was sowohl ein physisches als auch emotionales Risiko darstellt und von einer starken Gemeinschaft getragen wird.
Die kreative Gestaltung des Bühnenbilds stammt von Alexander Doge, der mit seiner kühnen Komposition der Treppenaufbauten eine visuell beeindruckende Umgebung schafft. Dieser Entwurf verstärkt die zentralen Themen des Stückes: Angst überwinden und sich auf die Mitspieler verlassen. Das Stück lässt den Zuschauer über das paraphrasierte Motto „Vertraue auf die Gemeinschaft“ nachdenken, während es gleichzeitig Raum für persönliche Entfaltung bietet.
Inspiration aus der japanischen Kultur
Cherkaoui hat sich maßgeblich von der japanischen Kunstform des Ukiyo-e inspirieren lassen, die oft das fließende Leben und die Flüchtigkeit des Augenblicks thematisiert. Für die Kostüme zeichnet Yuima Nakazato verantwortlich, der traditionelle buddhistische Elemente mit modernen, glitzernden Designs kombiniert. Diese zweischichtigen Kostüme erlauben es den Tänzern, ihre innere Welt durch die bunten Innenseiten sichtbar zu machen, während sie gleichzeitig in schlichter Eleganz erscheinen.
Das Stück wird durch die vielfältige Musik von Simon Brzóska getragen, die stilistische Einflüsse aus verschiedenen Kulturen miteinander verbindet. Brzóska selbst spielt minimalistisches, rhythmisches Material, das in harmonischem Zusammenspiel mit den Klängen des vietnamesischen Musikers Alexander Dai Castaing, der elektronische Elemente integriert, entsteht. Diese musikalische Vielfalt verstärkt die künstlerische Absicht des Choreografen, verschiedene kulturelle Welten zusammenzubringen.
Shogo Yushili und Kazutomi „Tsuki“ Kozuki, zwei japanische Musiker, ergänzen das Ensemble und ziehen das Publikum mit Gesang und musikalischen Darbietungen in ihren Bann. Diese langjährige Zusammenarbeit mit Cherkaoui bringt eine zusätzliche Dimension der Authentizität und kulturellen Tiefe in die Aufführung.
Bewegung als Ausdruck von Emotionen
Das Bewegungsmaterial im Stück nutzt vielschichtige Drehungen, die oft an rituelle Tänze erinnern. Der choreografische Stil bricht mit klassischen Ballettkonventionen, indem der Schwerpunkt der Tänzer tief am Boden bleibt. Diese Technik stellt die körperliche Verletzlichkeit und die Herausforderungen im menschlichen Zusammenleben dar. Kritische Lebenssituationen, wie der Ausschluss eines Mitglieds aus der Gruppe oder die Suche nach einem Partner, werden durch kleine und große dramatische Szenen sichtbar gemacht.
In der Schlussphase des Stücks zeigen die Tänzer ihre nackte Haut in hautfarbenen Dessous, versehen mit blutroten Flecken, die symbolisch für Verletzlichkeit stehen. Trotz der physischen und emotionalen Oben-Ohne-Präsentation wird die Stärke des Einzelnen in der Gemeinschaft deutlich. Cherkaoui endet das Stück mit einem positiven Reigen, in dem alle Tänzer einander Raum geben. Dies geschieht vor dem begeisterten Publikum, das die Eröffnung der Ludwigshafener Festspiele miterlebt.
„Ukiyo-e“ stellt eine künstlerische Herausforderung dar, die kulturelle Grenzen überschreitet und verschiedene musikalische und tänzerische Einflüsse in einer einzigen, zusammenhängenden Erzählung vereint. Die Aufführung ist nicht nur ein Genuss für die Augen, sondern regt auch zur Reflexion über Gemeinschaft und individuelle Selbstfindung an. Für weitere Informationen über das Stück und die Aufführung in Ludwigshafen können interessierte Leser die aktuelle Berichterstattung auf www.tanznetz.de einsehen.