In jüngster Zeit haben die Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen durch eine Diskussion über die Effizienz und Qualität der medizinischen Versorgung an Dringlichkeit gewonnen. Beim Forum 65 in Ravensburg, geleitet von der Unternehmerin Anne Schmieder, fanden Experten zusammen, um über die zukünftige Gesundheitsversorgung zu sprechen.
Beim „Forum 65“ referieren Experten im Ravensburger Restaurant Kantine. Das Gesprächsformat richtet sich primär an Menschen über 65 Jahre. (Foto: Robin Halle)
Dr. Tobias Preißhofen, ein Hausarzt aus Ravensburg, lieferte eine ernüchternde Perspektive zur Einführung der elektronischen Patientenakte, die ab dem 1. Januar 2025 verpflichtend sein soll. „Wir behandeln täglich 150 bis 180 Patienten“, erklärte er, „und die E-Akte erfordert drei bis vier Minuten Zeit pro Patient. Woher sollen wir diese Zeit nehmen?“
Bedenken über falsche Behandlungen
Ein weiteres zentrales Thema war die falsche Zuordnung von Patienten in Krankenhäuser. Axel Müller, ein CDU-Bundestagsabgeordneter, erklärte, dass etwa 60 Prozent aller Krebspatienten in ungeeigneten Einrichtungen behandelt werden, was zu einer erhöhten Fehlerquote führt. Krankenhäuser mit geringer Erfahrung bei bestimmten Eingriffen bieten oft nicht die gleiche Qualität wie spezialisierte Kliniken.
Müller warnte auch vor den Auswirkungen der aktuellen Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Diese Reform zwingt Krankenhäuser, bis Ende des Jahres eine bestimmte Anzahl spezialisierter Behandlungen nachzuweisen, um 2025 zertifiziert zu werden. „Das macht den Menschen Angst“, so Müller, der auf die massive Überlastung kleinerer Einrichtungen hinwies.
Vergleich mit anderen Ländern
In einem Vergleich mit dem Ausland stellte Prof. Jan-Marc Hodek fest, dass Deutschland bei den Gesundheitsausgaben auf Platz zwei der Welt steht, jedoch in der Lebensqualität nicht mithalten kann. Die Schweiz und die Niederlande erzielen bei deutlich geringeren Ausgaben bessere Ergebnisse. Hodek forderte eine Spezialisierung von Kliniken, um die Überlebenschancen nach schweren Erkrankungen wie Herzinfarkten zu erhöhen. In diesen Ländern haben Patienten dreimal höhere Überlebenschancen als in Deutschland.
Ein weiteres drängendes Problem ist die Wartezeit in Notaufnahmen. Prof. Oliver Rentzsch, Ärztlicher Direktor der Oberschwabenklinik, berichtete, dass Patienten im Durchschnitt 178 Minuten warten müssen, was in vielen Fällen für ein schnelles Eingreifen zu lang sein könnte. „Wir müssen jeden Tag rund um die Uhr Fachärzte bereitstellen, ansonsten können wir die Notfallversorgung nicht garantieren“, sagte Rentzsch.
Abschließend diskutierten die Experten die finanziellen Rücklagen und Defizite der Kliniken. Rentzsch betonte, dass die Kosten für die Notfallversorgung nicht nur eine Frage des Geldes seien, sondern auch mit dem personalintensiven Betrieb eines Krankenhauses zusammenhängen. „Eine hohe Qualität in der Notfallversorgung erfordert Investitionen“, fügte er hinzu.
Unternehmerin Anne Schmieder hat das Forum 65 gegründet. (Foto: Robin Halle)