In Heiligenberg und Herdwangen-Schönach engagiert sich Isabel Meyer in einer besonders sensiblen Fotografie-Welt. Die 58-Jährige arbeitet ehrenamtlich für die Dein-Sternenkind-Stiftung, wo sie Kinder fotografiert, die bereits im Mutterleib oder kurz nach der Geburt verstorben sind – die sogenannten Sternenkinder. Dies ist ihr eine Herzensangelegenheit. Bereits mehr als 700 Fotografen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum sind in der Stiftung aktiv, und in den letzten zehn Jahren wurden über 25.000 Sternenkinder abgelichtet. „Es ist eine Balance zwischen Traurigkeit und Freude“, beschreibt Meyer dieses emotionale Unterfangen, das einerseits die Freude über die Geburt und andererseits den Schmerz des Verlustes in Einklang bringen soll.
Isabel Meyer realisiert ihre Projekte meistens in ihrem Atelier in der Kunsthalle Kleinschönach. Hier gibt sie auch Einblicke in ihre Arbeit. Seit vier Jahren dokumentiert sie die kurzlebigen Momente der Sternenkinder und ist stets gefordert, ihrer Aufgabe mit viel Einfühlungsvermögen zu begegnen. Die Fotografin berichtet, dass sie niemals einen Tag erlebt hat, an dem sie kein Kind fotografieren konnte, was die Dringlichkeit und das ständige Bedürfnis nach ihrer Arbeit unterstreicht. „99 Prozent der Anfragen können wir bedienen“, fügt sie hinzu.
Der Weg zu den Aufträgen
Die Anfragen für die kostenlos angebotenen Fotos kommen meist von Krankenhauspersonal, Eltern oder Verwandten, die sich über ein Anforderungsformular oder telefonisch an die Stiftung wenden können. Moderatoren kümmern sich um die Organisation und informieren die Fotografen über eine App. Diese Benachrichtigungen enthalten alle relevanten Informationen über das Kind, dessen Alter und die Situation, sodass die Fotografen im Bedarfsfall direkt mit der zuständigen Hebamme in Kontakt treten können.
Meyer selbst erfreute sich an einer fundierten Ausbildung in Fotografie, die sie an der Freien Kunstakademie in Überlingen erwarb. Ihr Augenmerk galt anfangs der analogen Fotografie, bevor sie sich zu umfangreicheren kommerziellen Projekten hingezogen fühlte. Die Fotografin bezieht auch die Natur in ihre Aufnahmen mit ein und bietet Ausdrucksmöglichkeiten durch natürliche Umgebungen.
Ein Raum für kulturellen Austausch
In der Kunsthalle Kleinschönach entstehen nicht nur Fotografien von Sternenkindern. Der Verein „man müsste ateliers hinterlassen können“, dem die Kunsthalle gehört, fördert den kulturellen Austausch, die Schaffung von Ausstellungen und Workshops. Zu diesen Veranstaltungen gehört auch Meyer’s Ausstellung „Ich bin…“, die vom 15. bis 24. November zu sehen sein wird. Sie dient als Plattform, um über den Verlust und die Trauer der Eltern zu sprechen.
Eine Einladung zur Erinnerung
Die Fotos, die Isabel Meyer anfertigt, sind mehr als nur Bilder; sie fungieren als wertvolle Erinnerungsstücke für die betroffenen Eltern. Die Stiftung verfolgt das Motto „Das erste und das letzte Bild“, welches die Vergänglichkeit und die Wertschätzung des kurzen Lebens vereinbart. Meist werden die Aufnahmen in sanftem Schwarz-Weiß gehalten, damit das Augenmerk auf dem Kind und nicht auf den oftmals sehr sensiblen Details liegt.
Das empathische Verhalten im Umgang mit den trauernden Familien hat für Meyer höchste Priorität. „Man muss spüren, was die Eltern wollen“, erklärt sie, während sie von ihren Erfahrungen mit verschiedenen Familien erzählt. Es gibt keine Regel, wie solche Momente ablaufen „Jedes Mal ist anders“, betont sie. Ihre Aufgabe erfordert eine perfekte Mischung aus Mitgefühl und Professionalität, um den Eltern in einem ihrer schwierigsten Momente der Trauer beizustehen.
Ein Platz im Alltag für die Sternenkinder
Ein zentraler Aspekt ihrer Arbeit ist es, diese kleinen Seelen ins Bewusstsein der Gesellschaft zu bringen. Meyer möchte, dass Sternenkinder einen Platz im Alltag erhalten, damit die Eltern offen trauern können. Deshalb organisiert sie auch die Wanderausstellung „Sternenkinder – (K)Ein Tabu Thema“, die die Öffentlichkeit ansprechen und das Thema sichtbar machen soll. Die Begleitmaßnahmen wie Gesprächsangebote und Konzerte fördern den Austausch und die Verarbeitung dessen, was viele Menschen als ein Tabuthema empfinden.
Isabel Meyer ist überzeugt, dass Sternenkinder ihre Eltern ein Leben lang begleiten. Diese tiefe emotionale Bindung lässt sich auch an Geschichten nachvollziehen, wie der von einer Mutter, die Jahrzehnte nach dem Verlust ihres Kindes zu einer Stiftung kam, um die Qualität eines alten Fotos zu verbessern, das für sie zeitlebens einen besonderen Wert hatte. Sie hofft, dass die Ausstellung ein Licht auf die Thematik wirft und sowohl Betroffenen als auch Außenstehenden hilft, die Empathie und Unterstützung, die benötigt wird, zu verstehen. Diese Berichterstattung bietet weitere Einblicke in Meyer’s bedeutende Arbeit.