
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat heute überraschend den Medizinprofessor Djuro Macut zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Macut, ein spezialisierter Endokrinologe, ist politisch weitgehend unbekannt, jedoch fest in der Wissenschaft verwurzelt und gilt als führender Endokrinologe in Serbien. Laut Kosmo begründet Vučić die Entscheidung mit Macuts „beruflichen und persönlichen Qualitäten“ und erwartet von ihm, Frieden und Stabilität im Land zu bewahren. Macut muss bis zum 18. April eine neue Regierung präsentieren und sich die parlamentarische Bestätigung sichern, um Neuwahlen zu vermeiden.
Die Ernennung erfolgt inmitten einer tiefen politischen Krise, die durch eine Welle von Protesten ausgelöst wurde, nachdem ein Bahnhofs-Vordach in Novi Sad eingestürzt war, wodurch 16 Menschen ums Leben kamen. Die Protestbewegung macht die systematische Korruption und behördliche Inkompetenz für die Tragödie verantwortlich und fordert grundlegende Reformen zur Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen sowie Maßnahmen gegen Bestechlichkeit und Misswirtschaft. Vor dem Hintergrund dieser Proteste hat die Regierung unter Vučić ihren Rückhalt in der Bevölkerung erheblich eingebüßt. Tagesschau berichtet, dass Macut bis vor einem Jahr mit einem Orden vom Präsidenten ausgezeichnet wurde, was seine enge Bindung zur Regierung unterstreicht.
Proteste und gesellschaftlicher Rückhalt
Bei einem Gedenken an die Opfer des Unglücks im März 2023 protestierten über 300.000 Menschen, was als größer eingeschätzt wird als die Massenproteste im Jahr 2000, die zum Sturz von Slobodan Milošević führten. Die Protestbewegung erhält breite Unterstützung aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft, einschließlich Hochschulprofessoren und Schülern. Insbesondere die Studentenbewegung hat gefordert, dass ein neues politisches System geschaffen wird, das Demokratie, Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit garantiert. IPG hebt hervor, dass 59% der Bevölkerung die Proteste unterstützen, während nur ein Drittel vom Präsidenten uneingeschränkt hinter Vučić steht.
Meinungsverschiedenheiten über Macuts Eignung nehmen zu. Kritiker, darunter Pavle Grbovic von der "Bewegung freier Bürger", argumentieren, dass Macuts Handlungsspielraum durch die einflussreiche serbische Fortschrittspartei (SNS) stark eingeschränkt sein wird. Aleksandar Olenik von der Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina äußert, dass dessen Ernennung symbolisch für Vučićs anhaltende Kontrolle über die Regierung steht. Macut selbst hat sich in der Vergangenheit bereits kontrovers geäußert und stand in der Kritik, als er an einem als inszeniert kritisierten Anti-Protestcamp teilnahm.
Zukunft der serbischen Politik
Die politische Landschaft in Serbien ist fragil, und die Opposition plant eine "Regierung des nationalen Vertrauens", um die spezifischen Forderungen der Protestbewegung zu adressieren. Diese Opposition möchte vor allem das Unglück aufklären und faire Wahlen vorbereiten, lehnt jedoch eine Beteiligung an Neuwahlen ab, sofern der aktuelle Machtapparat an der Macht bleibt. Vučić selbst hat ein Modell für eine Übergangsregierung abgelehnt, während die EU in ihrer Reaktion zurückhaltend ist, obwohl wirtschaftliches Interesse an Projekten in Serbien weiterhin besteht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ernennung von Djuro Macut als Ministerpräsident inmitten von weitreichenden Protesten und einer tiefen politischen Krise stattfindet. Serbien steht vor der Herausforderung, sowohl interne Spannungen zu bewältigen als auch einen Kurs zu finden, der das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnt.
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