Wie wird Papst Franziskus mit einer neuen Trump-Präsidentschaft umgehen?

Nach dem Sieg von Donald Trump bei den Wahlen gab es innerhalb der katholischen Kirche sehr unterschiedliche Reaktionen. Auf der einen Seite stand Erzbischof Timothy Broglio, der Präsident der US-Katholiken. Er wurde kurz nach dem Wahlergebnis von dem katholischen Mediennetzwerk Eternal Word Television Network (EWTN) interviewt.
Unterschiedliche Perspektiven der Kirchenführer
Erzbischof Broglio, der auch für die Militärseelsorge verantwortlich ist, zeigte sich gelassen über das Wahlergebnis und erläuterte, warum er glaubt, dass viele katholische Wähler Trump unterstützt haben. Er äußerte keine substantiellen Bedenken hinsichtlich von Trumps Vorschlägen zur Abschiebung von Migranten, obwohl Papst Franziskus die Aufnahme von Migranten zu einem zentralen Thema seines Pontifikats gemacht hat.
Kardinal Parolin warnt vor Extremen
Im Gegensatz dazu äußerte Kardinal Pietro Parolin, der Staatssekretär des Vatikans, diplomatische Glückwünsche an den gewählten Präsidenten Trump und bat ihn, ein Präsident für das „gesamte Land“ zu sein. Er wies jedoch darauf hin, dass Trump keinen „Zauberstab“ habe, um globale Probleme zu lösen. Parolin warnte vor extremen Ansätzen in der Migrationspolitik und betonte, dass der Vatikan Probleme auf „humane Weise“ angehen möchte.
Die Herausforderungen für den Vatikan
Diese unterschiedlichen Reaktionen verdeutlichen die Herausforderungen, vor denen Papst Franziskus und der Vatikan im Hinblick auf eine mögliche zweite Amtszeit Trumps stehen. Besonders bemerkenswert ist der Umschwung der katholischen Wähler zugunsten Trumps, während die Kirchenhierarchie traditionell auf der Seite der Republikaner steht, wenn es um Fragen wie Abtreibung und Religionsfreiheit geht. Auch im Vorfeld der Wahlen 2024 betonten die Bischöfe erneut, dass Abtreibung die „vorrangige Priorität“ sei.
Papst Franziskus im Konflikt
Trotz seiner klaren Position zur Abtreibung hat der Papst abgelehnt, sich an einer „Kulturkriegs“-Rhetorik zu beteiligen. Sein Bestreben, eine barmherzige und offene Kirche zu führen, die auch LGBTQ-Personen einbezieht, hat dazu geführt, dass er ungenannte Angriffe innerhalb der amerikanischen Kirche erdulden muss. Ein Teil der Opposition gegen Franziskus überschneidet sich oft mit der Unterstützung von Trumps Politik.
Umfrageergebnisse und Wahlen 2024
Die aktuellen Umfragen zeigen, dass katholische Wähler etwa 22 % der Wählerschaft bei den Wahlen 2024 ausmachten und Trump von 58 % der Stimmen gegen Vizepräsidentin Kamala Harris erhielt. Im Vergleich zu 2020, als Präsident Joe Biden knapp mit 52 % der Stimmen gegen 47 % gewann, stellt dieser Wählerumschwung eine wesentliche Veränderung dar. Trump gewann auch Schlüsselstaaten mit hohen Anteilen katholischer Wähler, darunter Michigan, Pennsylvania, Arizona und Wisconsin.
Trumps Politik kontra Papst Franziskus’ Visionen
Trump und Papst Franziskus vertreten dabei grundlegend unterschiedliche Ansichten. Während Trump massive Abschiebungen von Migranten plant, betrachtet Franziskus die Abweisung von Migranten als eine „schwere Sünde“. Im Bereich der Außenpolitik hat der Vatikan kürzlich eine vierjährige Verlängerung seines Abkommens mit China unterzeichnet, was eine entscheidende Rolle bei der Ernennung von Bischöfen spielt.
Der Einfluss der katholischen Kirche in den USA
Als Joe Biden als zweiter katholischer Präsident der USA vereidigt wurde, forderten mehrere Bischöfe, ihm die Kommunion zu verweigern, aufgrund seiner pro-Wahlrechts-Politik. Den künftigen katholischen Vizepräsidenten JD Vance hingegen hat man bislang weitgehend geschont, trotz seiner Unterstützung von Trumps Rhetorik in Bezug auf Migranten.
Der Status quo in der US-Kirche ist von einem graduellen konservativen Wandel geprägt, der bereits während der Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. begann. David Gibson, Direktor des Center on Religion and Culture an der Fordham University, warnt vor einer „existentiellen Krise“ der katholischen Kirche in den USA, da sich katholische Führer traditionell stark an den Republikanern orientiert hatten, insbesondere bei Lebensrechten.
Eine ungewisse Zukunft
Die Hoffnungen der Katholiken in Trumps anti-abtreibungspolitischen Kurs haben sich zerschlagen, während er sich in der Wahl vom Thema abwendete. Ironischerweise könnte eine Trump-Präsidentschaft die US-Hierarchie näher an die Agenda von Papst Franziskus und den Vatikan bringen. Am Mittwoch wird zudem US-Außenminister Antony Blinken den Papst im Vatikan treffen – ein Zeichen für das unnötige Spannungsfeld, in dem sich die Kirche und die US-Politik befinden.