Im vergangenen Jahr verbrachte der französische Fotograf François Prost zahlreiche Stunden mit der Durchsuchung von Google Maps, um eine Roadtrip-Route zu planen, die die "Liebeshotels" Japans dokumentieren sollte. Diese besonderen Unterkünfte, die im ganzen Land zu finden sind, bieten stundenweise Mietpreise und vor allem Privatsphäre für ihre Gäste. Doch beim Antritt seiner 3.000 Kilometer langen (1.864 Meilen) Reise waren die Hotels einfach nicht zu übersehen.
Liebeshotels in Japan: Eine vertraute Welt
Einige Liebeshotels zeichneten sich durch herz- oder lippenförmige Beschilderungen aus, oder trugen Namen wie "Hotel Passion", "Hotel Joy" oder "Hotel BabyKiss". Doch die auffälligsten Merkmale waren die verspielte Architektur, die, paradoxerweise, alles andere als unauffällig war. "Man kann Raumschiffe, Boote und auch eine große Walfisch-Architektur sehen, die irgendwie sehr kindlich wirkt," erklärte Prost in einem Zoom-Interview aus Frankreich. "Und viele von ihnen sind Burgen," fügte er hinzu über die Fassaden von etwa 200 Liebeshotels, die er in seiner neuen Fotografie-Serie festhielt.
Geschichte der Liebeshotels in Japan
Obwohl Gäste die Zimmer auch für eine Nacht mieten können, bieten die Liebeshotels in Japan auch Kurzzeitmieten für "kyukei" oder "Ruhe" an. Diese Hotels erlebten einen Boom, nachdem Prostitution 1958 im Land verboten wurde, was zur Schließung von Bordellen führte und die Industrie in alternative Räumlichkeiten drängte. Heute sind die Liebeshotels jedoch weniger mit Sexarbeit oder Untreue verbunden, sondern richten sich vor allem an Paare, die in kleinen oder gemeinsamen Familienhäusern leben.
Architektonische Vielfalt und Design
"Natürlich gibt es ein bisschen Prostitution, aber hauptsächlich sind es Menschen — besonders junge Paare — die dorthin gehen, um Privatsphäre zu haben," bemerkte Prost. Seine Route führte durch Honshu und Shikoku, die größten und kleinsten der vier Hauptinseln Japans, bevor sie zurück zur Hauptstadt Tokio führte. "Heutzutage sind sie nicht nur für Sex gedacht. Sie haben sich auch zunehmend auf Freizeiteinrichtungen wie Karaoke-Nachtclubs konzentriert."
Einzigartige Architekturtradition
Unterkünfte mit versteckten Eingängen gibt es in Japan seit Jahrhunderten. Allerdings sind die modernen Liebeshotels mehr mit der Nachkriegszeit verbunden, speziell mit den "tsurekomi yado" (oder "Bring-your-own-Inn"), die oft von Familien mit freien Zimmern betrieben wurden. Die markante Architektur, die Prost dokumentierte, entstand jedoch in den 1960er und 1970er Jahren, als die Häuser gehobener wurden. Passanten mussten die Funktion der Gebäude auf den ersten Blick erkennen können, und die Betreiber wollten sich von herkömmlichen Hotels abheben.
Die Entwicklung der Liebeshotels
Eines der bekanntesten Liebeshotels der 1970er Jahre, das Meguro Emperor, wurde so gestaltet, dass es einem europäischen Schloss ähnelt. Dies führte zu einer Welle schlossartiger Hotels, von denen viele in Prosts neuer Serie zu sehen sind. Darüber hinaus traf er auf Gebäude, die nach französischen Landhäusern, tropischen Strandclubs und — im Fall des Hotel Aladdin in Okayama — einem imposanten arabischen Palast mit Zwiebelkuppeln modelliert sind.
Privatsphäre und Unauffälligkeit
Trotz ihres etwas auffälligen Erscheinungsbildes spiegelt das Design der Hotels deren Funktion wider. Um die Privatsphäre zu gewährleisten, verfügen die Exterieurs oft über wenige oder sogar falsche Fenster. Viele der Hotels nutzen Selbstbedienungs-Check-Ins und andere Designelemente, die die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Begegnungen verringern. "Alles wird so geplant, dass man beim Betreten des Gebäudes nicht auf jemand anderen trifft," erklärte Prost. "Der Eingang ist also anders als der Ausgang, und es kann einen Aufzug geben, der nach oben zu den Zimmern führt, und einen anderen, der nach unten geht. All dies ist Teil des Designprozesses."
Die Zukunft der Liebeshotels
Die besondere Architektur, die Prost entdeckte, wurde in den 1990er Jahren weniger verbreitet. Zum einen begannen die Hotels, sich gezielt an Frauen zu wenden, die zunehmend die Entscheidungen in Beziehungen trafen. Zudem führte eine Gesetzgebung in den 1980er Jahren dazu, dass Liebeshotels unter die Polizeiaufsicht fielen, was neuere Häuser dazu brachte, subtilere Designs zu wählen, um nicht als solche eingestuft zu werden. Es ist daher schwierig, genau zu sagen, wie viele Liebeshotels noch in Japan betrieben werden, doch es wird angenommen, dass es über 20.000 gibt.
Ein Blick auf die japanische Kultur
Liebeshotels sind auch in anderen asiatischen Ländern wie Südkorea und Thailand relativ verbreitet, während Kurzzeitmieten oder Motels in anderen Teilen der Welt oft eine ähnliche soziale Funktion haben. Der Begriff bleibt jedoch am stärksten mit Japan verbunden, trotz einiger Versuche der Branche, sie als "Freizeit-" oder "Modehotels" umzubenennen, um die negativen Konnotationen des ursprünglichen Begriffs zu vermeiden.
Fotografie als kulturelle Dokumentation
Prost ist der Meinung, dass die Einrichtungen (und seine Fotos) einen Kontrast zwischen Japans sozialem Konservatismus und der Einstellung der Menschen zu Sex hervorheben. Er beschreibt die ungewöhnlichen Designs als eine Art moderne Umgangssprache — alltägliche Architektur, die "mehr über das Land" aussagt als berühmte Wahrzeichen. Mithilfe einer neu gestarteten Kickstarter-Kampagne hofft er, die Bilder im nächsten Jahr in einem Buch zu veröffentlichen. Diese Herangehensweise war in der Vergangenheit bereits erfolgreich: Prost's jüngstes Buch "Gentlemen's Club", das ihn mehr als 6.000 Meilen durch die Vereinigten Staaten führte, um die farbenfrohe Architektur von Stripclubs zu fotografieren, wurde 2021 über Crowdfunding veröffentlicht.
Er hat auch Nachtclubfassaden in Frankreich, Spanien und der Elfenbeinküste dokumentiert. Neben der Erkundung von Laster und Gesellschaft nach Einbruch der Dunkelheit teilen diese Projekte einen gemeinsamen Faden: Sie zeigen nicht nur die Einrichtungen, sondern auch das Land und die Kultur, in der sie agieren. "Ich würde sagen, diese Projekte sind eher wie Landschaftsfotografie," sagte er. "Sie zeigen das Land durch das Prisma dieser Orte."
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