Horror, Musik und Ehekrise: Chavriers Kalkwerk bei den Festwochen!

Séverine Chavrier inszeniert Thomas Bernhards "Kalkwerk" ab 5. Juni bei den Wiener Festwochen – ein musikalisches Gedicht über Ehezerfall.
Séverine Chavrier inszeniert Thomas Bernhards "Kalkwerk" ab 5. Juni bei den Wiener Festwochen – ein musikalisches Gedicht über Ehezerfall.

Vienna, Österreich - Ab dem 5. Juni 2025 wird Séverine Chavrier mit ihrer Inszenierung von Thomas Bernhards „Kalkwerk“ bei den Wiener Festwochen zu sehen sein. Diese Inszenierung ist von großer Bedeutung, da sie Chavriers erste Produktion in Österreich darstellt, obwohl sie bereits 2022 unter dem Titel „Ils nous ont oubliés“ in Barcelona erfolgreich gezeigt wurde. In ihrer Neugestaltung des Werkes kombiniert Chavrier klaustrophobischen Horror und psychische Folter mit Musik, Videos und Vogelstimmen. Die Aufführung dauert fast vier Stunden und ist gestaltet wie ein musikalisches Gedicht über den Zerfall einer Ehe.

In „Kalkwerk“, das 1970 veröffentlicht wurde, geht es um eine ungleiche Paarbeziehung an einem isolierten, steril gestalteten Ort, der durch seine weiße und zugleich schwarze Farbgebung geprägt ist. Das Stück schildert das Leben von Herr Konrad, einem Mann, der von einem großen Essay über das Gehör träumt, jedoch in seiner Realität scheitert. Seine Frau, eine gehbehinderte Protagonistin, ist gebrechlich und ihr Lebenszusammenhang bringt Herr Konrad in Unruhe. Diese zwischenmenschlichen Spannungen werden von Chavrier intensiv beleuchtet, die eine dritte Figur, eine Krankenschwester, einführt, um die dargestellte Gewalt in der Beziehung besser zu verdeutlichen.

Musikalische Elemente und Inspiration

Die Inszenierung von Chavrier geht über das traditionell Theatrale hinaus und wird von musikalischen Elementen durchzogen. Sie beschreibt ihr Werk als „organisches Ganzes“, vergleichbar mit dem Konzept von Thema und Variation in der Musik. Inspiriert von Regisseuren wie Ingmar Bergman und Stanley Kubrick lässt Chavrier in ihrem Stück die Umgebung selbst zur Musik werden, etwa durch den Einsatz von Stimmen aus dem Keller und Gipsplatten, die als Schlaginstrumente fungieren. Diese Schnittstelle zwischen Klang und bildlicher Darstellung soll das Publikum direkt ansprechen und emotional mitreißen.

Chavrier hat auch Sätze von Elfriede Jelinek in die Inszenierung integriert, sodass eine interessante Verbindung zwischen zwei bedeutenden österreichischen Autorinnen entsteht. Diese kreative Entscheidung trägt zu der Charaktersynthese bei, die in der Inszenierung von Chavrier zu finden ist, indem sie die Aspekt der Überwachung und Kontrolle thematisiert.

Persönlicher Bezug zur österreichischen Literatur

Trotz ihrer tiefen Affinität zur österreichischen Literatur ist dies die erste Möglichkeit für das Publikum in Österreich, eine Arbeit von Chavrier live zu erleben. In der Schweiz hat sie bereits Schritte unternommen, um ein junges Publikum für das Theater zu interessieren, und ihre Produktion „Aria da Capo“ kombiniert Opernarien mit modernen Medien wie Handyvideos. Diese innovative Herangehensweise deutet an, dass sie auch in Zukunft das Publikum mit neuen Formen und Inhalten herausfordern möchte.

Es bleibt spannend, wie das Wiener Publikum auf Chavriers fesselnde Inszenierung reagieren wird. „Kalkwerk“ bietet nicht nur psychologische Tiefe und emotionale Intensität, sondern eröffnet auch einen Diskurs über zeitgenössische Themen der Überwachung und der menschlichen Beziehungen. Die Aufführung verspricht, ein unvergessliches Erlebnis zu werden, das sowohl zum Nachdenken anregt als auch die Sinne anspricht.

Gleichzeitig bleibt die Komplexität von Bernhards Werk in ihrer Aussagekraft über den Kulturbetrieb relevant. Bernhard selbst war bekannt dafür, eine kritische Haltung gegenüber Auszeichnungen und dem Literaturbetrieb einzunehmen, was in seinem posthum veröffentlichten Werk „Meine Preise“ deutlich wird. Während Chavrier sich mit Bernhards Themen auseinandersetzt, erinnert sie auch an seine ambivalente Beziehung zu Kunst und Kultur.

Insgesamt verspricht die Inszenierung von „Kalkwerk“ nicht nur einen tiefen Einblick in die Abgründe der menschlichen Psyche, sondern auch eine spannende Auseinandersetzung mit der kulturellen Identität Österreichs und der Rolle der Kunst in unserer Gesellschaft.

Details
Vorfall Sonstiges
Ort Vienna, Österreich
Quellen