In Wiener Neustadt ist die Debatte um die städtebauliche Entwicklung erneut entbrannt, nachdem der Rechnungshof scharfe Kritik am aktuellen Bebauungsplan geübt hat. Die Stadt im Süden Wiens, die sich den wenig schmeichelhaften Titel „Betonhauptstadt Österreichs“ erworben hat, sieht sich mit ernsten Vorwürfen konfrontiert. Besonders die Ostumfahrung, ein umstrittenes Verkehrsprojekt, steht im Fokus der Kritik, da sie fruchtbare landwirtschaftliche Flächen in Gefahr bringt und durch ein geschütztes Natura 2000-Gebiet führen soll. Der Rechnungshof befürchtet, dass diese Versiegelung von Boden negative Auswirkungen auf Klima- und Umweltziele sowie auf die Ernährungssicherheit hat.
Das Bauvorhaben "Maximilium am Stadtpark", das eine Mischung aus Wohnungen, Büroflächen, Gastronomie und Bildungseinrichtungen vorsieht, wird ebenfalls als problematisch erachtet. Der Rechnungshof warnte, dass es die bereits bestehenden Hitzeschwerpunkte in der Innenstadt weiter verstärken könnte.
Die Position von Bürgermeister Schneeberger
Obwohl viele Bürger gegen die Ostumfahrung sind, setzt Bürgermeister Karl Schneeberger (ÖVP) das Projekt fort. Im September begann im Süden die Bauarbeiten, was zu einer intensiven Diskussion unter den Anwohnern führte. „Wir sind für den Bau, weil er die Schadstoff-Emissionen massiv reduzieren wird und die Verkehrsbelastung in den Wohnvierteln verringert“, argumentiert Schneeberger. Er weist auch darauf hin, dass die Fläche, die versiegelt wird, geringer ist als bei vielen neuen Betriebsgebieten in der Umgebung. In seiner Stellungnahme kritisiert er die Prüfung des Rechnungshofs als unvollständig und populistisch, insbesondere die Punkte zur Anpassung an den Klimawandel.
Experten wie der Verkehrsplaner Ulrich Leth von der Technischen Universität Wien sind jedoch skeptisch. Er betont, dass solche Umfahrungsprojekte nachweislich nicht zu einer Entlastung des Verkehrs führen. Stattdessen könnte die Stadt sich den Herausforderungen der nächsten fünf Jahrzehnte schon jetzt stellen und damit die Probleme weiter verlagern.
Drohende Versiegelung und Widerstand der Bürger
Ein alarmierender Bericht des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2018 hatte gewarnt, dass Wiener Neustadt die erste komplett zugebaute Stadt in Österreich werden könnte. Fast keine Ackerflächen und Grünflächen wären bis 2050 mehr übrig, falls die aktuelle Entwicklung weiterhin so ungebremst fortschreitet. Helmut Buzzi von der Plattform „Vernunft statt Ostumfahrung“ berichtet, dass der Widerstand in der Bevölkerung enorm ist. Umfragen und Volksbefragungen werden oft diskutiert, jedoch vermeidet Bürgermeister Schneeberger diese, um den Prozess nicht zu gefährden. Die Proteste in der Fischa-Au, einem geschützten Gebiet, gehen weiter und zeigen das anhaltende Unbehagen der Einwohner über die Stadtentwicklungspolitik.
Im Gegensatz dazu wurde die Stadt Wels in Oberösterreich für ihre Bestrebungen zur Teilentsiegelung gelobt. Ab 2025 sollen dort alte Messehallen abgerissen und durch moderne Gebäude ersetzt werden, während angrenzende Flächen in eine große Parkanlage umgewandelt werden. Der Rechnungshof sieht Wels als potenzielles Vorbild für andere Städte.