In Kärnten geht man einen außergewöhnlichen Weg, um jungen Erwachsenen, die aus der öffentlichen Jugendhilfe stammen, weiter unter die Arme zu greifen. Normalerweise müssen diese sogenannten Careleaver mit 18 Jahren die Einrichtungen, in denen sie aufgewachsen sind, verlassen und verlieren damit oft jedwede Unterstützung. Doch hier wird auf die besonderen Bedürfnisse dieser Menschen eingegangen, die oft aus schwierigen Verhältnissen kommen.
Die Geschichten vieler dieser jungen Menschen sind geprägt von Schicksalsschlägen wie dem Verlust eines Elternteils durch Krankheit oder Tod, sowie Erlebnissen mit Alkoholismus und Gewalt. Diese Umstände führen dazu, dass sie in eine fremde Obhut gegeben werden, nicht weil sie problematisch sind, sondern weil sie Schutz brauchen. So ergeben sich massive Herausforderungen auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben, was einerseits an der frühen Trennung von gewohnten sozialen Netzwerken und andererseits an den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens liegt.
Einzigartiger Ansatz in Kärnten
Matthias Liebenwein, Fachbereichsleiter der Diakonie de La Tour, beschreibt die gesetzliche Situation im Jugendhilfesystem: „Die Unterstützung endet rein rechtlich mit dem 18. Geburtstag, aber es gibt die Option, bis zum 21. weiter unterstützt zu werden.“ Ein Problem tritt auf, wenn ein junger Mensch mit 18 Jahren sagt, dass er die Unterstützung nicht mehr benötigt und es dann, oft aufgrund von Überforderung, nicht zurück zu suchen kann. Kärnten ist sich jedoch bewusst, dass es bundesweit Maßnahmen braucht, um diese jungen Menschen besser zu unterstützen.
Vor zwei Jahren wurden in den Städten Villach und Klagenfurt spezielle Anlaufstellen für Careleaver gegründet. Diese Einrichtungen bieten jenen, die aus der Jugendhilfe kommen, den benötigten Rückhalt. Der Erfolg ist bereits messbar: Rund 200 junge Erwachsene haben seither Hilfe gesucht und gefunden.
Die Anlaufstelle in Klagenfurt ist ein sicherer Hafen für viele. Alex, 22 Jahre alt, und Milo, 24 Jahre alt, berichten von ihren Schwierigkeiten. Alex erzählt: „Es ist schwer, erwachsen zu sein. Es gibt so viele Dinge zu erledigen, für die man Hilfe braucht.“ Beide teilen ihre Herausforderungen und Schranken, die sie im Alltag zu überwinden haben, insbesondere bei der notwendigen Selbstorganisation nach dem Verlassen der Einrichtung.
Der Grundgedanke dieser Unterstützung ist es, dass es kein Ablaufdatum für Hilfe gibt. Matthias Liebenwein erklärt: „Die Careleaver-Anlaufstellen werden vom Land Kärnten finanziert und bieten Unterstützung ohne zeitliche Begrenzung.“ Es ist ein differenzierter Ansatz, der darauf abzielt, den Jugendlichen zu zeigen, dass sie nicht allein sind, vor allem während dieser kritischen Übergangsphase.
Die Bedingungen in den Einrichtungen sind oftmals nicht ideal. Milo thematisiert die Probleme der Gleichbehandlung unterschiedlicher Altersgruppen innerhalb der Einrichtungen. „Die gleichen Regeln für alle Altersgruppen schaffen Konflikte“, sagt er. Das Verhalten der Jugendlichen wird oft vorverurteilt, das Stigma von „schwer erziehbar“ lässt sie nicht los.
Realitäten des Erwachsenwerdens
Erwachsen zu werden bedeutet nicht nur, eine Wohnung zu finden oder einen Job zu bekommen. Für viele Careleaver sind diese Herausforderungen zusätzlich mit einer traumatischen Vergangenheit verbunden, die im Alltag immer wieder aufkeimt. Alex gibt an: „Woran ich zu kämpfen habe, ist, Hilfe anzunehmen und nicht immer alles allein machen zu müssen.“ Ein wichtiger Lernprozess, der nicht immer einfach ist. Das Gefühl, nicht zu genügen oder unzulänglich zu sein, plagt viele der jungen Erwachsenen, die aus der Heimerziehung kommen.
Die Anlaufstellen geben ihnen die Möglichkeit, ihre Probleme offen zu besprechen. „Ich bin froh, dass es diese Unterstützung gibt“, sagt Milo und meint den direkten Zugang zu Sozialarbeitern: „Es ist wichtig, jemandem zu haben, der einem hilft und zur Seite steht.“ Die Ermutigung, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist central, um gegen die emotionalen und psychologischen Belastungen anzukämpfen, die viele in dieser Phase der Selbstfindung empfinden.
Die Careleaver-Anlaufstellen in Villach und Klagenfurt sind für alle jungen Menschen geöffnet, die Unterstützung benötigen. Der Zugang zu den Räumlichkeiten erfordert keine Voranmeldung. Das Team besteht aus Fachleuten, die speziell geschult sind, um den Anforderungen dieser jungen Erwachsenen gerecht zu werden.
Durch die finanzielle Unterstützung des Landes Kärnten wurde es möglich, diese Einrichtungen nachhaltig zu betreiben. Lebendige Beispiele wie Alex und Milo verdeutlichen, wie essenzielle diese Anlaufstellen sind, da sie den jungen Menschen nicht nur technische Hilfe anbieten, sondern ihnen auch das Gefühl von Zugehörigkeit und Freundschaft zurückgeben.
Die Anlaufstellen sind daher mehr als nur Beratungszentren. Sie sind Hoffnungsträger, die vielen Jugendlichen einen Weg aufzeigen, der trotz der Widrigkeiten des Lebens möglich ist. In einem Land wie Österreich, in dem junge Erwachsene durchschnittlich bis zu 25 Jahre bei ihren Eltern wohnen können, ist es umso wichtiger, auch den Careleavern einen Platz zu bieten, wo sie lernen, sich selbstständig in der Welt zu orientieren.
Während die Careleaver-Anlaufstellen ein einzigartiges Projekt in Kärnten sind, hoffen die Initiatoren, dass auch in anderen Bundesländern ähnliche Angebote geschaffen werden können. Der Druck auf die gesellschaftlichen Strukturen wächst, um sicherzustellen, dass keiner dieser jungen Erwachsenen ungesichert zurückgelassen wird, wenn sie in die Selbstständigkeit entlassen werden.