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Die bedrückende Realität: Retraumatisierung von Flüchtlingen an EU-Grenzen

Kinder ohne Tagesstruktur: Die Herausforderungen des Familiennachzugs

Die Integration von Familienmitgliedern von anerkannten Flüchtlingen stellt eine immense Herausforderung dar, die tiefe psychologische Aspekte beinhaltet. Nora Ramirez Castillo, Therapiekoordinatorin bei Hemayat, einem Zentrum für Folter- und Kriegsüberlebende in Wien, sieht die geplanten Härten im Zusammenhang mit Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen mit großer Skepsis. Aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus warnt sie vor den retraumatisierenden Effekten, denen bereits traumatisierte Menschen erneut ausgesetzt sind, sollten sie unter haftähnlichen Bedingungen interniert werden.

Die psychischen Belastungen, denen Flüchtlinge an den EU-Grenzen ausgesetzt sind, resultieren oft aus Misshandlungen und brutalen Pushbacks. Dieses gewaltsame Vorgehen kann das Leid von ohnehin vulnerable Personen stark vervielfachen. Ramirez Castillo unterstreicht, dass solche Erfahrungen retraumatisierend wirken und die bereits bestehenden Verletzungen weiter verschärfen können.

Hemayat, als Organisation zur Unterstützung von Folteropfern, bietet Hilfe für Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern, darunter Syrien, Afghanistan und Tschetschenien. Das Zentrum finanziert seine Arbeit unter anderem durch Mittel der EU und des Innenministeriums. Mit einem Schwerpunkt auf Psychotherapie hat Hemayat bisher 1600 Menschen unterstützt, wobei häufig Dolmetscher zum Einsatz kommen, um die Sprachbarrieren zu überwinden.

Die Situation des Familiennachzugs für anerkannte Flüchtlinge stellt eine weitere psychologische Belastung dar. Ramirez Castillo berichtet von Familien, die unter starkem Druck stehen, da sie auf die Nachholung ihrer Partner und Kinder warten müssen. Besonders betroffen sind Kinder, die aufgrund ihrer Flucht keinerlei Tagesstruktur oder geregeltes Leben kennengelernt haben. Dies wirkt sich oft negativ auf ihre schulische Entwicklung aus.

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Die Therapeuten von Hemayat sind mit solchen Herausforderungen konfrontiert, wie im Fall eines elfjährigen syrischen Jungen, der bei seiner Ankunft in Österreich kaum Sprachkenntnisse hatte und sich in der Schule äußerst zurückhaltend verhielt. Durch eine intensive Betreuung konnte festgestellt werden, dass er keine geistige Behinderung aufwies, sondern aufgrund seiner traumatischen Erfahrungen stark verunsichert war. Die therapeutische Unterstützung der Familie und des Kindes kann langfristig dazu beitragen, dass das Kind erfolgreich die Schule abschließt und einen Beruf erlernt, was letztendlich für die gesamte Gesellschaft von Vorteil ist.

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