In Deutschland sind grundlegende Medikamente und Lösungen zunehmend schwer erhältlich, und das betrifft nun auch die alltäglich verwendete Kochsalzlösung. Diese essentielle Flüssigkeit ist nicht nur für die Notfallmedizin entscheidend, sondern auch für routinemäßige Behandlungen wie Infusionen und Chemotherapien. In einem alarmierenden Aufruf berichtete die Lahn-Apotheke in Fernwald, die viele Kliniken in Mittelhessen beliefert, über die akute Knappheit, die die Versorgungsqualität gefährdet.
Die Apotheke beschreibt die Situation als eine Art „Super-Gau“. In einem Brandbrief an die zuständigen Gesundheitsbehörden fordert sie sofortige Maßnahmen, da die Lagerbestände erschöpft sind und ohne Nachschub zahlreiche Kliniken vor ernsthaften Herausforderungen stehen könnten. Chemotherapie- und Operationspatienten wären stark betroffen, wenn keine Kochsalzlösungen zur Verfügung stünden, was die klinische Versorgung von über 4500 Betten in Frage stellt.
Dringlichkeit und Alternativen
Die Apotheke betont, dass sie allein jährlich rund 150.000 Flaschen der 100-ml-Kochsalzlösung benötigt. Diese Lösung kann nicht einfach ausgewechselt oder selbst hergestellt werden, da die Herstellung strengen sterilen Anforderungen folgt. Es genügt nicht, einige Löffel Salz in Wasser zu rühren. „Eine 0,9-prozentige Lösung muss exakt dieser Konzentration entsprechen; ein Fehler könnte für Patienten schwerwiegende Folgen haben“, erklärt Mira Sellheim von der Apotheke am Ludwigsplatz. Selbst wenn Apotheken in der Lage wären, diese Lösung händisch herzustellen, wäre die produzierte Menge unzureichend für die Bedürfnisse der Kliniken.
Der Druck auf die Apotheken und Kliniken wird immer größer. Prof. Andreas Böning vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg berichtet, dass viele andere Verbrauchsmaterialien ebenfalls Mangelware geworden sind. Die wachsende Abhängigkeit von wenigen Herstellern, oftmals aus dem Ausland, verschärft die Problematik, da die Lieferketten instabil sind. Aktuell sind allein 500 Arzneimittel in Deutschland von Lieferengpässen betroffen.
Das Universitätsklinikum ist jedoch relativ gut aufgestellt, da es eine Zwei-Lieferanten-Strategie verfolgt. Diese Flexibilität hilft, Engpässe zu kompensieren, auch wenn die genaue Planbarkeit weiter erschwert bleibt. „Eine unbefriedigende Situation“ nennt Pressesprecher Frank Steibli den aktuellen Zustand.
Ähnlich äußert sich auch das Evangelische Krankenhaus Mittelhessen, das trotz der Herausforderungen eine gesicherte Patientenversorgung gewährleisten kann, während das St. Josefs Krankenhaus keine Probleme bei der Versorgung sieht und ausreichende Bestände an Kochsalzlösungen hat.
Um die kritische Lage zu lindern, hat die Lahn-Apotheke sogar Kontakt zu einem türkischen Hersteller aufgenommen, der bereit ist, 40 Tonnen Kochsalzlösung zur Verfügung zu stellen. Dies zeigt, wie dringend die benötigte Lösung ist und wie weit die Apotheken gehen müssen, um ihr Engagement für die Patienten zu sichern.
„Es ist erschreckend, dass wir in Deutschland nicht in der Lage sind, diese grundlegende Lösung selbst zu produzieren und stattdessen Hilfe aus dem Ausland benötigen“, so Thomas Preis, der Chef des Apothekerverbandes Nordrhein. Er fordert den Staat auf, eine größere Verantwortung in der Daseinsvorsorge zu übernehmen. „Kochsalzlösungen sind genauso wichtig wie Strom und Wasser“, betont er. Die Notwendigkeit schneller und effektiver Maßnahmen ist allerorts spürbar, um die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten.
Die Situation stößt zunehmend auf Kritik und wirft Fragen hinsichtlich der Herstellungskapazitäten für wichtige Medikamente auf. Die Apotheker, die täglich an der Front kämpfen, erleben die Auswirkungen der Mängel hautnah, und es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortungsträger ihre Strategie bald überdenken, um den Bedarf in der Bevölkerung zu decken.
Für weitere Informationen und eine tiefere Analyse dieser Problematik, siehe den Bericht auf www.giessener-anzeiger.de.
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