Die Briefwahl in Hessen boomt! Immer mehr Wähler entscheiden sich, ihre Stimme nicht im Wahllokal, sondern bequem von zu Hause aus abzugeben. Eine aktuelle Studie aus Gießen zeigt, dass bei der Bundestagswahl 2021 über 51,1 Prozent der hessischen Wähler Briefwahlunterlagen nutzten – ein Rekord! Im Vergleich dazu lag der bundesweite Durchschnitt bei 47,3 Prozent. Diese Wahl war die erste, bei der mehr Stimmen in Wohnzimmern als in Wahlkabinen abgegeben wurden.
Der Trend zur Briefwahl hat sich seit der Corona-Pandemie verstärkt, aber die Zahlen sprechen für sich: 36,9 Prozent der Wähler nutzten die Briefwahl bei der Landtagswahl vor einem Jahr, ein Anstieg von nur 24,4 Prozent im Jahr 2018. Der Wandel in den Wahlgewohnheiten ist unübersehbar – seit 2008 müssen Wähler keinen Grund mehr angeben, um per Brief zu wählen, und das hat die Demokratie nachhaltig verändert.
Studie beleuchtet neue Wahlverhalten
Die Politikwissenschaftlerin Dorothée de Nève analysierte im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung die Auswirkungen der Briefwahl. Sie stellt fest, dass diese flexible Option die Wahlbeteiligung steigern könnte, jedoch das Gemeinschaftserlebnis im Wahllokal vermissen lässt. Ein weiterer Punkt ist die mögliche Beeinflussung durch Familienmitglieder, wenn die Stimmen zu Hause abgegeben werden. Dennoch gibt es bisher keine belastbaren Beweise für eine systematische Manipulation.
Die Studie zeigt auch, dass die Briefwahl hauptsächlich von älteren und gut gebildeten Wählern genutzt wird. Interessanterweise sind die per Brief abgegebenen Stimmen seltener ungültig als die, die an der Urne abgegeben werden. Der Wahlkampf wird zunehmend von der Briefwahl beeinflusst, da viele Briefwähler frühzeitig ihre Entscheidung treffen und damit die Dynamik des Wahlkampfs nicht mehr berücksichtigen können. Die AfD hingegen wird eher im Wahllokal gewählt, was zu unterschiedlichen Wahrnehmungen der Briefwahl unter den Parteien führt. De Nève empfiehlt, die Ergebnisse der Briefwahl am Wahlabend gesondert auszuweisen und den Prozess der Beantragung der Briefwahlunterlagen zu vereinfachen.