Frankreichs größtes Musikinstrument ist bereit, wieder zu erklingen. Nach monatelanger mühevoller Reinigung und Dekontaminierung von 8.000 Pfeifen, 115 Orgelstöcken und zahlreichen anderen musikalischen Komponenten wird am Samstag die majestätische Klänge der Grand Orgel von Notre Dame wieder ertönen. Es ist das erste Mal, dass das wiederbelebte Instrument vor einem Publikum erklingt, seit das Pariser Wahrzeichen vor über fünf Jahren in Flammen aufging.
Wunder der Restaurierung
Wie die Statue der Jungfrau Maria, die aus dem Inferno wie durch ein Wunder unversehrt hervorging, blieb auch die Orgel von schweren Schäden während des Feuers im April 2019 verschont. Sie war strukturell intakt, aber Rückstände des eingestürzten Bleidachs hatten die weitläufigen Pfeifen und die Ritzen zwischen den Tasten gefüllt. Dieses dicke, gelbe Pulver stellte zwar keine Bedrohung für die Mechanik des Instruments dar, war jedoch wegen seiner Toxizität für Menschen ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko.
Die Herausforderung der Handwerker
Um das Instrument auf seinen Zustand vor dem Feuer zurückzuführen oder so nah wie möglich daran zu bringen, waren hochspezialisierte Handwerker erforderlich. Die Firma von dem erfahrenen Orgelbauer Laurent Mesme, Orgues Quoirin, gehörte zu den drei Werkstätten, die aus ganz Frankreich ausgewählt wurden, um die Grand Orgel zu restaurieren. Mesme beschrieb den Prozess als „außergewöhnlich“.
Monatelange Arbeit und Teamwork
Die Restaurierung umfasste mehr als 30 Handwerker, die monatelang damit beschäftigt waren, die Orgel zu demontieren und ihre elektrischen sowie mechanischen Komponenten zu restaurieren, bevor eine umfassende Tiefenreinigung erfolgte. Insgesamt waren mehr als 2.000 Handwerker an der Restaurierung der Kathedrale beteiligt, viele von ihnen arbeiteten mit traditionellen Methoden, die über Generationen weitergegeben wurden, wie das Büro von Präsident Emmanuel Macron bestätigte.
Das empfindliche Stimmen der Orgel
Die Stimmen der Orgel benötigten weitere sechs Monate. Mesme erklärte: „Solch eine Wartung, bei der die gesamte Orgel demontiert wird, geschieht normalerweise alle 50 bis 100 Jahre. Die nächste Restaurierung wird nicht so bald erfolgen.“ Um eine Orgel zu stimmen, bedarf es eines perfekten Gehörs und in der Regel völliger Stille, was sich auf der hochspezialisierten Baustelle als beinahe unmöglich herausstellte. Daher wurde ein Team tagsüber mit dem Stimmen der Pfeifen beauftragt, während ein anderes Team die Arbeiten in der Nacht verfeinerte, nachdem die Bauarbeiter ihre Schichten beendet hatten.
Eine besondere Verbindung zwischen Organisten und Handwerkern
Diese nächtlichen Handwerker wurden dabei von den vier Organisten von Notre Dame unterstützt, die das einzigartige Klangprofil der Orgel aus jahrelanger Spielpraxis gut kannten. „Anders war es nicht möglich“, sagte der Organist Olivier Latry. „Tagsüber war es unmöglich, irgendwie zu arbeiten (wegen des Lärms).“ Latry, der seit 1985 bei der Kathedrale tätig ist, verspürte es als seltsam, nach dem Brand so viel Zeit von der Orgel getrennt gewesen zu sein.
Die Rückkehr der Orgelklänge
„Es ist wirklich eine sehr intime Verbindung, die sich etabliert hat. Es ist lustig, dass die Orgel fünf Jahre still war und wir sie wiederfinden; es ist ein bisschen so, als würde man einen alten Freund treffen, den man einige Jahre nicht gesehen hat“, erzählte er CNN. Dank der Zusammenarbeit zwischen Handwerkern und Musikern wurde der Klang der Orgel wiederhergestellt, genau wie er vor dem Brand war. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Akustik der Kathedrale nach dem Hinzufügen neuer Möbelstücke ebenfalls stimmen wird.
Ein historischer Moment
Latry und die drei anderen Organisten von Notre Dame werden bei der Wiedereröffnungszeremonie am Samstag spielen. Die Musik, die für das, was die Organisatoren die „große Erweckung“ der Orgel nennen, erklingen wird, wird improvisiert und je nach Emotion des historischen Moments gestaltet, so Latry.
Ein Erbe für die Nachwelt
Wenn sie schließlich spielen, werden die Handwerker, die die Orgel restauriert haben, ihren einzigartigen Stempel auf ein Stück französischer Geschichte geprägt haben. „Bei jeder Restaurierung haben die Orgelbauer bewahrt, was die vorherigen Orgelbauer gemacht haben. Daher ist die Orgel nicht das Werk eines einzelnen Bauers. Es ist wirklich ein gemeinsames Werk, das sich über drei oder vier Jahrhunderte entfaltet“, sagte Latry. „Es ist ein bisschen so, als sei diese Orgel die Geschichte Frankreichs“, fügte er hinzu.
Details zur Meldung
