Görlitz. Ein Novum der besonderen Art schlug am Samstag (26.10.) am Gerhart Hauptmann-Theater in Görlitz Wellen! Die neue Choreografie des „Nussknacker“ von Massimo Gerardi markiert den Auftakt zur Adventszeit – jedoch ganz anders als erwartet! Die glitzernde Weihnachtsatmosphäre könnte für traditionelle Liebhaber des Klassikers etwas erschütternd sein. Gerardi bricht mit alten Konventionen und greift die Geschichte nur schwach auf; stattdessen ist seine Version eine schockierend moderne Reflexion. „Die Nussknacker-Geschichte kommt gar nicht vor wie im Original, sondern es ist eine erfundene Story, die mit der Weihnachtszeit zu tun hat und da aber eher mit dem Konsumismus“, so der neue Künstlerische Leiter des Tanzensembles.
Die leidenschaftlichen Tschaikovsky-Fans können sich allerdings auf die authentische Musik freuen, die live vom talentierten Pianisten Narihito Mukeda dargeboten wird. Ein majestätischer Weihnachtsbaum und eine große, hölzerne Nussknacker-Figur zieren die Bühne, doch die idyllische Szenerie wird bald durch einen Berg von unscheinbaren Paketlieferungen ersetzt. Ist das der neue Geist von Weihnachten? Ein Overkill an Kartons, die den wahren Sinn des Festes zu überschatten drohen? Unsere Heldin, in ihrer zum Kaufrausch verführenden Welt gefangen, ist auf der Suche nach echter Freude und Glück.
Weihnachten im Karton
Im Vergleich zum nostalgischen Original, wo die Charaktere statisch blieben, vollzieht Gerardis Protagonistin eine bemerkenswerte Wandlung. Mit jedem Paket, das sie öffnet, wird die innere Leere deutlicher. „Sie kämpft sich durch eine Welt des materiellen Besitzes“, erkannte der Kritiker. „Kaufen, kaufen, kaufen, das ist ihr Lebensinhalt!“. Die Vorstellung wird von einer schlichten, aber eindrucksvollen Bühnenbildgestaltung unterstützt, die den Konsumrausch perfekt widerspiegelt.
Von Konsum zu Menschlichkeit
Trotz des drängenden Themas des Konsums strebt Gerardi keine einfache Kritik an – vielmehr lädt er das Publikum ein, darüber nachzudenken. Mit Eleganz und Ausdruckskraft vermittelt das Ensemble in funkelndem Abendkleid, während abstrakte Videoprojektionen den rauschhaften Kaufprozess illustrieren. „Come in and find out!“ steht es blinkend auf den Wänden, und es bleibt die Frage: Ist dies wirklich der Weg, den wir einschlagen wollen für Weihnachten?
Premiere: 26.10., 19.30 Uhr, Haus Görlitz,
weitere Vorstellungen: 1.11. und 9.11. je 19.30 Uhr, 17.11., 15 Uhr.