Die kürzliche Sitzung der Lübecker Bürgerschaft hat auf bitterste Weise aufgezeigt, wie stagnierend die Sozialpolitik in der Hansestadt ist. Angesichts eines Berichts der Verwaltung, der konkrete Vorschläge zur Unterstützung der benötigten Hilfe in den Stadtteilen beinhaltete, zeigt sich eine besorgniserregende Ignoranz der an der Macht befindlichen Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Letzte Woche wurde der von der SPD und den Freien Wählern (FW) eingebrachte Haushaltsantrag abgelehnt, welcher darauf abzielte, die Handlungsempfehlungen der Verwaltung umzusetzen und somit einen wirksamen Schritt zur Bekämpfung von Armut zu unternehmen. Diese Entscheidung wirkt besonders bedenklich, da bereits im Mai 2024 der zweite Teil des Armuts- und Sozialberichts 2022 veröffentlicht wurde, der wichtige Handlungsempfehlungen für die Stadt enthält.
Der erste Teil des Berichts, der bereits 2023 vorgestellt wurde, hatte umfassende statistische Daten geliefert und den Grundstein für eine effektive Strategie zur Armutsbekämpfung gelegt. Die in Workshops erarbeiteten Handlungsempfehlungen wurden von zahlreichen Akteuren, einschließlich Trägern, Politikern und Beiräten, diskutiert. Obwohl sich die Stadtverwaltung um Bürgermeister Jan Lindenau bemüht hatte, eine progressive Sozialraumorientierung zu implementieren und Prioritäten im Haushalt abzuleiten, stieß dies auf massive Ablehnung seitens der Koalition. „Es ist kaum nachvollziehbar, dass hier politisch Priorisierungen eingefordert werden, die dann von denselben Fraktionen vollständig ignoriert werden“, äußerte sich Gregor Voht von der SPD & FW kritisch.
Verpasste Chancen für strukturelle Veränderungen
Anstelle eines strukturierten Konzepts zur Armutsbekämpfung wurden völlig intransparente Einzelmaßnahmen gefasst. Renate Prüß, sozialpolitische Sprecherin der SPD, bei dieser Sitzung: „Eine wirksame und strukturelle sozialpolitische Armutsbekämpfung sieht anders aus. Die Sozialraumorientierung ist kein ‚Nice to have‘, wir brauchen sie dringend. Sie ist in allen neuen Sozialgesetzen der Eingliederungshilfe und Seniorenhilfe verankert.“ Mit der Sozialraumorientierung wird versucht, den Menschen ein möglichst selbstbestimmtes Leben in ihrem sozialen Umfeld zu ermöglichen, wozu ein tiefgehendes Verständnis der Lebensrealitäten vor Ort erforderlich ist. Doch dafür sind partizipative Arbeitsstrukturen unabdingbar, die das Einbeziehen aller lokalen Akteure in die Entscheidungsfindung gewährleisten.
Dieser Rückschritt ist umso unverständlicher, wenn man die Scalierung der Armut in Lübeck betrachtet. Es müsste ein ausgeprägtes Bewusstsein dafür bestehen, dass Armut komplexe Ursachen hat, die nicht durch isolierte Maßnahmen behoben werden können. Der mangelnde politische Wille, in einem System zu denken, das langfristige Lösungen aufzeigt, gefährdet die Lebensqualität vieler Lübecker. Die SPD und FW fordern jetzt vehement, dass die Jamaika-Koalition ihre Prioritäten überdenkt und sich für eine Strategie starkmacht, die auf den tatsächlich erforderlichen Veränderungen beruht.
Die Dringlichkeit dieser Angelegenheit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ein System, das Hilfen prioritär und flächendeckend zugänglich macht, ist für die Betroffenen von elementarer Bedeutung. Vor dem Hintergrund der gescheiterten Diskussionen stellt sich die Frage, wie die Stadt Lübeck in Zukunft mit ihren sozialen Herausforderungen umgehen will. Irreführende Einzelbeschlüsse tragen nicht zur Lösung bei, sondern verschärfen die Krise, die viele Menschen in Lübeck betreffen.
Die Situation erfordert eine Rückbesinnung auf die Community, die eigentlichen Betroffenen, die sich tagtäglich mit den Herausforderungen des Lebens auseinandersetzen müssen. Hier muss die Politik tätig werden – und zwar nicht nur in der Theorie, sondern in der praktischen Umsetzung von Lösungen, die Armut tatsächlich bekämpfen können. Das vollständige Versäumnis, effektive Maßnahmen zu ergreifen, könnte langfristig zu einem bedeutenden gesellschaftlichen Schaden führen.
Der Druck auf die Entscheidungsträger wächst, und ob sich hier eine Trendwende abzeichnet, bleibt abzuwarten, wie hier-luebeck.de berichtet. In den kommenden Wochen wird es wichtig sein, diese Entwicklungen genau zu verfolgen, um die Reaktionen und Schritte der politischen Akteure im Hinblick auf die soziale Gerechtigkeit in Lübeck zu beobachten.
Details zur Meldung