Leipzig

Vom Misswettbewerb zur Lebensgeschichte: Neun Frauen im Fokus!

Im Jahr 1989 suchte die „Leipziger Volkszeitung“ nach der perfekten Miss Leipzig, und die damals jungen Frauen, die sich beworben hatten, sahen diese Misswahl als eine Chance, dem tristen Alltag in der DDR zu entfliehen. Inmitten der politischen Veränderungen und der bevorstehenden Wende kämpften sie um einen Platz im Rampenlicht. Doch was genau ist aus diesen Frauen geworden? Filmemacher Gunther Scholz hat sich in seinem neuen Dokumentarfilm mit dieser Frage auseinandergesetzt und zeigt die Lebenswege von neun der Bewerberinnen von damals.

Bei dieser Misswahl, die nur wenige Monate vor dem Fall der Mauer stattfand, war es nicht nur das äußere Erscheinungsbild, das zählte. Die Kandidatinnen mussten auch über ihre Stadt und deren Geschichte informiert sein. Viele von ihnen wollten einfach nur die Erfahrung einer Misswahl machen, während andere der Hoffnung nachgingen, dass sich durch die Teilnahme an dem Wettbewerb etwas Grundlegendes in ihrem Leben ändern könnte. Die Unruhe und der Wunsch nach Veränderung waren spürbar, und die Misswahl wurde ein Fenster in eine andere Welt.

Der Fotograf Gerhard Gäbler und seine Zusammenarbeit

Gerhard Gäbler, damals noch Student, erkannte das Potenzial dieser Veranstaltung nicht nur als Wettbewerb, sondern auch als künstlerisches Projekt. Er begann, mit den Frauen über ein Fotoshooting zu sprechen und konnte fast 20 von ihnen überzeugen, ihre Geschichte in Form eines Doppelporträts festzuhalten. Dabei fertigte er sowohl ein Bild am Arbeitsplatz als auch eines in ihrem privaten Umfeld an. Diese Fotografien wurden zu wertvollen Zeitdokumenten, die die Atmosphäre der späten DDR ungeschönt widerspiegeln und die jungen Frauen in ihrem typischen, zeitgemäßen Interieur zeigen.

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Zusätzlich brachte Gäbler ein kleines Kassettengerät für Interviews mit, dessen Aufnahmen heute eine bedeutende Quelle des persönlichen Erlebens der Frauen bieten. Diese oral-historischen Dokumente geben nicht nur Einblicke in ihre Träume und Ängste der damaligen Zeit, sondern sind auch ein Fenster in ihre Hoffnungen für die Zukunft.

Die Rückkehr 18 Jahre später

Fast zwei Jahrzehnte später kehrte Gunther Scholz mit Gerhard Gäbler zu den Frauen zurück, um zu dokumentieren, was aus ihnen geworden ist. Fast alle haben inzwischen einen Job, sind entweder verheiratet oder leben als Singles. Eine von ihnen erlebt gerade eine Scheidung und eine andere plant, zum ersten Mal Mama zu werden. Ihre Lebenswege führten sie an verschiedene Orte: Einige leben in der Schweiz, andere in Dubai oder im Westen Deutschlands, während die Wurzeln vieler immer noch in Leipzig zu finden sind.

Was als eine mögliche Flucht aus dem Alltag begann, hat sich für viele dieser Frauen zu einem vielschichtigen Leben entwickelt. Die Rückblicke auf die Misswahl und das damit verbundene Gefühl von Ungewissheit und Hoffnung spiegeln sich in den Erzählungen wider. Sie erzählen von den Herausforderungen des Erwachsenwerdens und von der Suche nach Identität in einer sich rasant verändernden Welt.

In seinem Dokumentarfilm gelingt es Scholz, die Transformation dieser Frauen zu zeigen. Während ihre äußere Erscheinung sich verändert hat, bleiben die Träume von früher oft auch in der jetzigen Zeit präsent. Ihre Geschichten sind nicht nur individuell, sie eröffnen einen Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die mit der Wiedervereinigung Deutschlands einhergingen. Die Langeweile der DDR war der Ausgangspunkt für viele von ihnen, die sich nun in ganz verschiedenen Lebensrealitäten wiederfinden.

Künstlerisch und emotional erweist sich „Sag mir, wo die Schönen sind“ als eine tiefgründige Reflexion über das Leben, das Erwachsenwerden und die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt. Die Mischung aus nostalgischen Erinnerungen und gegenwärtigen Lebensrealitäten zeigt eindrücklich, wie vielschichtig die Entwicklungen nach 1989 für diese Frauen waren und wie sehr sich ihre Träume mit der Realität vermischt haben. Eine solche Perspektive auf persönliche Geschichten sowie die kollektiven Erfahrungen der Frauen in einer sich verändernden Gesellschaft ist heute genau so bedeutend wie vor 34 Jahren.

Die aktuellen Selbstverständnisse und Identitäten der Protagonistinnen tragen nicht nur ihren eigenen Stempel, sondern dokumentieren auch einen Teil der deutschen Geschichte, die oft den individuellen Geschichten zugrunde liegt. Die Rückschau auf eine Veranstaltung, die vor so vielen Jahren stattfand, erwacht in diesem Dokumentarfilm zum Leben und bietet wertvolle Einblicke in die Zeitgeschichte und persönliche Lebenswege.

Für eine detaillierte Betrachtung des Films und der Schicksale der Frauen, siehe den Bericht auf www.mdr.de.

Quelle/Referenz
mdr.de

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