Ein mystischer Schatten über Görlitz: Jacob Böhme, der große Sohn der Stadt, wird anlässlich seines 400. Todestages am 17. November 2024 gefeiert – doch wo bleibt die Sichtbarkeit? Während Polen mit einem beeindruckenden Wandgemälde und einer Buchhandlung, die Böhmes Werke präsentiert, glänzt, bleibt die deutsche Seite der Stadt im Hintergrund. Klaus Weingarten, ein Böhme-Experte, setzt sich dafür ein, die tiefgründigen Gedanken des Mystikers für die heutige Zeit greifbar zu machen.
In der Nikolaikirche wird ein Film über den Jakob-Böhme-Bund gedreht, und Weingarten bringt die 400 Jahre alten Texte zum Leben. Doch trotz der Vielzahl an Veranstaltungen bleibt Böhme im Alltag der Stadt oft unbemerkt. Ein Kulturvertreter beschreibt das Problem: „Die Schriften sind schwer verständlich und tragen den Atem einer anderen Zeit.“ Doch gerade das könnte der Grund sein, Böhme in die moderne Welt zu holen, anstatt ihn in wissenschaftlichen Zirkeln zu belassen. Ein Banner, das Touristen mit „Willkommen in der Böhmestadt“ begrüßt, fehlt am Bahnhof – ein Zeichen für die verpasste Chance, Böhme lebendig zu machen.
Böhmes Botschaft für die Gegenwart
Weingarten betont, dass das Verständnis von Böhmes Schriften nicht auf intellektuelle Bildung angewiesen ist, sondern auf Empfindungsfähigkeit und Herzensbildung. „Böhme bezeichnete diesen Weg als einen Kinderweg“, erklärt er. Die Herausforderung besteht darin, die zeitlosen Botschaften des Mystikers in eine Sprache zu übersetzen, die auch heute noch verständlich ist. Böhme selbst sagte: „Ich richte niemand, und ist das Verdammen ein falsches Geschwätz.“ Seine Gedanken sind aktueller denn je und laden dazu ein, über gesellschaftliche und politische Wahrheiten nachzudenken.
Im kommenden Jahr, das auch das 500. Jubiläum der Reformation in Görlitz markiert, könnte Böhmes Erbe eine neue Dimension erreichen. „Gott wirft keine Seele weg, sie werfe sich denn selber weg“, erinnert Böhme uns daran, dass jeder selbst für sein Schicksal verantwortlich ist. Ein Aufruf zur Selbstreflexion in einer Zeit, in der viele nach einfachen Antworten suchen.