Vor den Toren von Aldi Nord in Essen haben sich zuletzt ehemalige Häftlinge der DDR versammelt, um auf die Missstände während ihrer Gefangenschaft aufmerksam zu machen. Mit Protestplakaten und Handzetteln versuchten sie, die Kunden und die Mitarbeiter des Discounters über die gesundheitlichen Folgen der Zwangsarbeit aufzuklären. Ihre Anstrengungen blieben jedoch ungehört; der Konzern reagierte nicht auf die Anliegen der Protestierenden.
Die Humboldt-Universität hat eine umfassende Studie mit dem Titel „Zwangsarbeit politischer Häftlinge in Strafvollzugseinrichtungen der DDR“ veröffentlicht, die belegt, dass Aldi Nord und Aldi Süd während der DDR stark von der Arbeit der Inhaftierten profitierten. Peter Keup von der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) erinnert daran, dass im Frauenhaftanstalt Hoheneck in Sachsen Millionen von Damenstrumpfhosen unter unmenschlichen Bedingungen hergestellt wurden. Diese Strumpfhosen fanden ihren Weg auf den westdeutschen Markt, vor allem zu Aldi, bekannt für seine Niedrigpreise.
Gesundheitliche Folgen der Zwangsarbeit
In Essen war auch eine Frau zugegen, die selbst in der Strumpfhosenproduktion arbeitete. Sie berichtete von chronischen Gesundheitsschäden infolge der Zwangsarbeit. „Ich war giftigen Chemikalien wie Chromoxid und Quecksilber ausgesetzt”, so ihr erschütternder Bericht. Diese Aussagen zeigen eindrücklich, wie stark die Gesundheitsrisiken für die damals Inhaftierten waren.
Die UOKG fordert von Aldi eine umfassende Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Firmengeschichte. Trotz wissenschaftlicher Beweise für die unmenschliche Behandlung politischer Häftlinge zeigt sich Aldi unwillig, Verantwortung zu übernehmen. „Wir erwarten eine Entschuldigung und Unterstützung für die Betroffenen”, fordert Keup und kritisiert, dass Aldi sich einfach aus der Verantwortung zieht.
Aldi selbst behauptet, erst 2013 von den Lieferungen aus den Gefängnissen erfahren zu haben. Eine Anfrage des „nd” blieb unbeantwortet, doch in einer Stellungnahme an die UOKG bedauern die Unternehmen die damalige Praxis der Zwangsarbeit. Dabei betonen sie, dass sie aufgrund des großen zeitlichen Abstands keine weiteren Details zur Aufklärung liefern können. Für viele bleibt unverständlich, wie andere Unternehmen wie Ikea in der Lage waren, ihre Rolle aktiv aufzuarbeiten und sich bei den Betroffenen zu entschuldigen.
Gedenkstätten und Vermächtnis
Das ehemalige Frauengefängnis in Hoheneck, in dem bis 2001 Frauen inhaftiert waren, hat mittlerweile eine Gedenkstätte hervorgebracht, die an die Schicksale der etwa 24.000 dort inhaftierten Frauen erinnert. Unter diesen waren rund 8.000 politische Häftlinge, die oft extreme Einzelhaft erlitten mussten. Trotz der Errichtung einer Gedenkstätte in Stollberg gibt es nach wie vor einen Aldi-Supermarkt in unmittelbarer Nähe. Dies hebt die Diskrepanz zwischen dem Gedenken und der Gegenwart hervor.
Der Protest und die unablässige Forderung der ehemaligen Häftlinge zeigen die dringende Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Die UOKG bleibt in ihrem Anliegen entschlossen und fordert Aldi zum Handeln auf, während die Betroffenen weiterhin auf Gehör hoffen.
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