Luxemburg (dpa) – Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat einen gewagten Vorschlag gemacht: Eine EU-«Teilmitgliedschaft» für die Ukraine! In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erklärte er, dass die Ukraine nicht schnell EU-Mitglied werden könne. «Es gibt viele ungelöste Probleme in der Ukraine, von Korruption bis zur Rechtsstaatlichkeit, die geglättet werden müssen, bevor man ernsthaft einen Beitritt der Ukraine ins Auge fassen kann», so Juncker.
Juncker, der von 2014 bis 2019 an der Spitze der EU-Kommission stand, plädiert dafür, sich auf Modelle der Teilmitgliedschaft zu konzentrieren, anstatt leere Versprechen einer sofortigen Vollmitgliedschaft zu machen. «Man sollte den Ukrainern keine falschen Hoffnungen machen», warnte er. Die Ukraine hatte am 28. Februar 2022, nur wenige Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs, die EU-Mitgliedschaft beantragt. Offizielle Beitrittsverhandlungen laufen seit dem 25. Juni 2024.
Ein neuer Weg für die Ukraine
Juncker betonte, dass es wichtig sei, den Ukrainern klarzumachen, dass eine Beitrittsperspektive besteht. Er sieht eine Teilmitgliedschaft als einen Weg, der es der Ukraine ermöglichen würde, an wichtigen Entscheidungen der EU teilzunehmen, ohne jedoch vollwertiges Mitglied zu sein. «Das würde den Ukrainern zeigen, dass ihre Anstrengungen in Richtung Beitritt nicht ohne positive Antwort der Europäischen Union bleiben», erklärte er. Diese Teilmitgliedschaft würde bedeuten, dass die Ukraine an bestimmten politischen Entscheidungen und Sitzungen der EU teilnehmen könnte, jedoch ohne Stimmrecht.
Auf die Frage, wie lange eine solche Teilmitgliedschaft dauern könnte, gab Juncker zu, dass er keinen Zeitplan habe. Er warnte davor, den Eindruck zu erwecken, dass eine sofortige Vollmitgliedschaft möglich sei, denn das würde der Würde der Ukrainer nicht gerecht werden. Zudem äußerte er sich skeptisch zu den optimistischen Aussagen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump über eine schnelle Beendigung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. Juncker betonte, dass die EU der Ukraine «solange es notwendig ist» zur Seite stehen müsse. Eine Teilmitgliedschaft ist im aktuellen EU-Vertrag von Lissabon nicht vorgesehen, jedoch gibt es Länder wie Norwegen und die Schweiz, die ohne Mitgliedschaft eng mit der EU verbunden sind.