Heringsdorf. Am Wochenende wird einmal mehr die Zeit umgestellt, und das Biorhythmus vieler Menschen gerät ins Wanken. Trotz des Gefühls, eine Stunde geschenkt zu bekommen, zieht Psychiater Dr. Volkmar Sippel, Chefarzt der Medigreif Inselklinik, eine alarmierende Bilanz: „Die Zeitumstellung erhöht das Stresslevel enorm! Ständige digitale Erreichbarkeit führt oft zu psychosomatischen Krankheiten und einer Besessenheit für Produktivität, die krankmachend wirkt.“
In seiner langjährigen Tätigkeit als Psychiater beobachtet Sippel eine sich verändernde Zeitwahrnehmung unter den Patienten. „Die digitale Revolution hat das Zeiterleben grundlegend beeinflusst. Die Menschen verlieren sich im Hamsterrad der ständigen Erreichbarkeit“, warnt er. Darüber hinaus mangelt es häufig an gemeinsamen Erlebnissen und der damit verbundenen Entspannung – essentielle Komponenten für die psychische Gesundheit. „Die Zeichen des Körpers werden oft ignoriert, was zu einer Epidemie von Stress und Erschöpfung führen kann.“
Achtsamkeit zurückgewinnen
In der Inselklinik setzen Sippel und sein Team auf Entschleunigung: „Wir lehren die Patienten, ihren eigenen Rhythmus wiederzufinden und achtsamer mit ihrem Körper umzugehen. Stressbedingte Erkrankungen wie Burnout und Depressionen haben stark zugenommen.“ In Therapiesitzungen wird neben traditioneller chinesischer Medizin auch Kunst eingesetzt, um den Patienten zu helfen, ihre innere Balance wiederherzustellen.
Ein Aspekt, den Sippel besonders betont, ist der Unterschied im Zeitmanagement zwischen den Deutschen und ihren polnischen Nachbarn: „In Polen wird mehr Wert auf eine achtsame Lebensweise gelegt, was sich positiv auf die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden auswirkt. Dort denken die Menschen zirkulär, während wir hier oft linear und multitasking-orientiert leben.“
Während der Psychiater seinen Patienten hilft, die Zeit wieder bewusst wahrzunehmen, bleibt die Herausforderung, in einer schnelllebigen Welt Achtsamkeit zurückzugewinnen.
