In Berlin sorgt ein neues Rechtsgutachten für Aufregung, das erhebliche Zweifel an der aktuellen nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aufwirft. Laut dem Gutachten der renommierten Kanzlei Noerr ist der deutsche Gesetzentwurf, der ausschließlich Wirtschaftsprüfer für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten zulässt, EU-rechtswidrig. Der TÜV-Verband hat dieses Gutachten veröffentlicht, um auf die problematische Situation hinzuweisen, die auch wirtschaftliche Folgen haben könnte. Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, hebt hervor, dass die Entscheidung der Bundesregierung, den Prüfmarkt nicht zu öffnen, nicht nur rechtlich bedenklich, sondern auch ungünstig für die wirtschaftliche Entwicklung ist.
Das Gutachten bestätigt, dass unabhängige Prüfer die gleichen hohen Qualifikationen wie Wirtschaftsprüfer vorweisen können. Eine Akkreditierung durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) sichert ab, dass unabhängige Prüfer sämtliche fachlichen und rechtlichen Anforderungen erfüllen. Prof. Dr. Thomas Klindt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mitautor des Gutachtens, erklärt, dass es keinen sachlichen Grund gebe, technische Prüfdienstleister vom Markt auszuschließen. Diese Organisationen bringen zusätzliche technische Expertise in Bereichen wie Umwelt und Soziales mit, was für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten von entscheidender Bedeutung ist.
Marktkonzentration und Wettbewerbsverzerrung
Ein weiterer kritischer Punkt des Gutachtens betrifft die bereits hohe Marktkonzentration der "Big Four" Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland. Bei einem Ausschluss unabhängiger Prüfer würde dieses Ungleichgewicht verstärkt und die Kapazitäten zur Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten stark eingeengt werden, was vor allem mittelständischen Unternehmen schaden könnte. Eine Forsa-Umfrage, beauftragt vom TÜV-Verband, zeigt, dass 79 Prozent der befragten Unternehmen eine technische Prüforganisation für die Prüfung ihrer Nachhaltigkeitsberichte bevorzugen würden. Die Entscheidung zugunsten unabhängiger Prüfdienstleister könnte also auch potenzielle Kosteneinsparungen und erhöhte Flexibilität bieten.
Das Gutachten warnt zudem davor, dass Deutschland mit dieser Regelung rechtliche Konsequenzen im Rahmen von EU-Klagen riskieren könnte. Es wird argumentiert, dass der Gesetzentwurf nicht nur den Wettbewerb in der EU verzerren würde, sondern dass er auch das europäische Primärrecht verletzt, welches die Berufs- und Unternehmensfreiheit gewährleistet. Prof. Klindt betont die Notwendigkeit, dass jede nationale Umsetzung der CSRD den Maßstäben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entsprechen muss. Ohne Änderungen durch den Deutschen Bundestag könnte es zu rechtlichen Auseinandersetzungen vor dem Europäischen Gerichtshof kommen.
Der TÜV-Verband appelliert an den Bundestag, den Gesetzentwurf zu überarbeiten und technische Prüforganisationen wie TÜV oder DEKRA zuzulassen. Dr. Bühler argumentiert, dass ein offener Prüfmarkt nicht nur den Wettbewerb stärkt, sondern auch die Verfügbarkeit von Prüfleistungen erhöht und die Kosten für Unternehmen senkt. Insbesondere die zusätzlichen technischen Kompetenzen unabhängiger Prüfdienstleister sollten bei der Bewertung von Nachhaltigkeitsberichten genutzt werden.
Für weitere Informationen und das vollständige Rechtsgutachten können Interessierte die Webseite des TÜV-Verbandes besuchen: hier abrufbar.
Die vorliegende Umfrage gründete auf einer repräsentativen Erhebung unter 500 Unternehmen ab 20 Mitarbeitenden, die zwischen Mai und Juli 2024 durchgeführt wurde. Diese Daten untermauern die Forderung nach einem breiteren Zugang zu Prüfdienstleistungen und abgerundeten Lösungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Auf wirtschaftlicher wie rechtlicher Ebene bleibt abzuwarten, welche Schritte die Bundesregierung in Anbetracht des Gutachtens unternehmen wird. Die kommenden parlamentarischen Verfahren versprechen, weitere Diskussionen über die Zulassung und Qualifikation der Prüforganisationen auszulösen.
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