Die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg an der Goethe-Universität hat kürzlich einen bedeutsamen Schritt in Richtung Gerechtigkeit gemacht, indem sie 44 Bücher an die Friedrich-Ebert-Stiftung zurückgegeben hat. Diese Rückgabe ist Teil eines umfassenden Projekts zur Provenienzforschung, das darauf abzielt, NS-Raubgut zu identifizieren und an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Erben zurückzuführen. Die Übergabe fand in der Zentralbibliothek der Universität in Bockenheim statt und könnte die ersten Schritte für weitere zukünftige Restitutionen darstellen.
Im Rahmen dieses Projekts, das seit 2020 unter dem Patronat des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste läuft und voraussichtlich bis Februar 2025 andauern wird, werden die Bestände von rund 80.000 Bänden sorgfältig geprüft. Ein großer Teil dieser Bände stammt aus dem Offenbach Archival Depot, das nach dem Zweiten Weltkrieg von den US-Truppen eingerichtet wurde, um Raubgut, das während des Nationalsozialismus erbeutet wurde, zu identifizieren. Diese 44 Bände, von denen 42 aus dem Depot stammen, sind vor allem politischer Natur und gehen an die Bibliothek im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Ein Schritt zur Gerechtigkeit
„Wir fühlen uns in der moralischen Verpflichtung, die Rechtmäßigkeit der Bibliotheksbestände zu überprüfen und, wo notwendig, Rückgaben einzuleiten“, sagte Daniela Poth, die Leiterin der Universitätsbibliothek. Ihr ist es besonders wichtig, dass die restituierenden Bücher die Geschichten ihrer ehemaligen Besitzer repräsentieren. Es wird erwartet, dass aufgrund der laufenden Provenienzforschung weitere Rückgaben an die Friedrich-Ebert-Stiftung und andere Institutionen folgen werden.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat die Aufgabe, bedeutende kulturhistorische Objekte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sowie des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu sichern und diese Geschichte zu dokumentieren. Olaf Guercke, Bibliotheksfachreferent der Stiftung, erläutert, dass sie bestrebt sind, die Verfolgungsgeschichte der sozialdemokratischen Bewegung sichtbar zu machen. Dr. Anja Kruke, Archivleiterin der Stiftung, hebt die Bedeutung des Archivs für die deutsche Arbeiterbewegung hervor und betont, dass es über die größte Spezialbibliothek seiner Art verfügt.
Wertvolle Recherchearbeit
Ein weiterer interessanter Aspekt der Rückgabe ist die akribische Recherchearbeit, die hinter der Identifikation der Bücher steht. Mitarbeiter wie Daniel Dudde und Darleen Pappelau haben Stempel, Etiketten und handschriftliche Vermerke in den Bänden untersucht, um die Herkunft und die oft tragischen Geschichten zu dokumentieren. Dudde erklärt, dass nicht alle zurückgegebenen Bücher eine Lücke im Bestand der Stiftung schließen werden, jedoch die Ergebnisse ihrer Recherche unverzichtbar sind für die Geschichtsschreibung und das Verständnis des NS-Raubguts.
Ein Beispiel ist das Buch „Volk von morgen: der Hamburger Reichsjugendtag der Deutschen Arbeiterjugend“, dessen Provenienz nachvollziehbar macht, wie es in die Hände der NSDAP gelangte. Solche Geschichten eröffnen Räume für ein vertieftes Verständnis der sozialen und politischen Strömungen jener Zeit.
Im Rahmen der bisherigen Projekte wurden bereits 20 Bände an unterschiedliche Empfänger zurückgegeben, darunter jüdische Gemeinden, Gewerkschaften und Einzelpersonen. Diese Rückgaben sind nicht einfach vergangenheitsbewältigende Maßnahmen, sondern Teil eines lebendigen Prozesses der Erinnerungskultur.
Die Universität selbst hat eine lange Geschichte, die bis ins 15. Jahrhundert reicht und eine Vielfalt von Bibliotheken umfasst. Ihr heutiger Name geht auf eine Fusion mehrerer Institutionen zurück, und die Bedeutung der aufbewahrten Sammlungen geht weit über die bloße Anzahl der Bände hinaus. Die Universitätsbibliothek ist nicht nur ein Ort des Wissens, sondern rückt auch die historischen Erzählungen in den Fokus, die mit dieser Sammlung verbunden sind.
Für mehr Informationen über die aktuellen Entwicklungen in der Provenienzforschung und die Rückgabe von NS-Raubgut, kann der Artikel bei aktuelles.uni-frankfurt.de nachgelesen werden.
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