Ein grausames Verbrechen erschütterte Gießen in der Weihnachtszeit des Jahres 1908. Am ersten Weihnachtsfeiertag wurde die Leiche des zehnjährigen Heinrich Abel im Schiffenberger Wald von Spaziergängern entdeckt. Er wurde zuletzt gesehen, als er am Abend des 24. Dezember von seinem Vater mit einem Botengang beauftragt wurde. Zeugen berichteten von einem lauten Schrei aus der Richtung des Waldes, der das beschauliche Weihnachtsfest jäh unterbrach, wie der Gießener Anzeiger berichtete.
Die Kriminalpolizei stand damals vor einer großen Herausforderung, da die Ermittlungen nur rudimentär organisiert waren. Doch zeugengetragene Hinweise führten bald zu Wilhelm Reif, einem 47-jährigen Schuhmacher mit einer Vorbelastung wegen Sexualdelikten. Auch er wurde am Abend des Verbrechens in der Nähe des Fundorts des Jungen gesehen. Der "Jäger mit der Lupe", der renommierte Chemiker Dr. Georg Popp, untersuchte die Beweismittel und entdeckte entscheidende Spuren: Textilfasern von Heinrichs Kleidung sowie spezielle Fichtennadeln, die nur am Tatort vorkamen. Reif gestand schließlich, behauptete jedoch, er habe nicht die Absicht gehabt, den Jungen zu töten.
Hintergründe und Strafe
Der Prozess begann im März 1909, und die Öffentlichkeit war aufgrund der Tragik des Falles stark interessiert. Reif wurde wegen minderschweren Totschlags und Sittlichkeitsverbrechen zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Die nachfolgenden Untersuchungen durch psychiatrische Gutachten stützten die Einschätzung, dass er als gewohnheitsmäßiger Sittlichkeitsverbrecher einzustufen war. Historiker Dr. Ludwig Brake stellte fest, dass die gesamte Bevölkerung in Gießen von diesem Verbrechen stark betroffen war und an der Aufklärung des Falls interessiert blieb, wie er in seinem Vortrag im Netanya-Saal schilderte, wie der Gießener Anzeiger berichtet.
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