Die Entscheidung von Canan Bayram, nicht erneut für den Deutschen Bundestag zu kandidieren, hat in der politischen Landschaft Berlins für Aufsehen gesorgt. Die Abgeordnete der Grünen äußert in ihrer Erklärung massive Kritik an ihrer eigenen Partei sowie am Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg. In einem offenen Brief stellt sie die Frage, wofür die Partei Bündnis 90/Die Grünen derzeit eigentlich steht, und erklärt, dass sie den Menschen nicht mehr erläutern könne, wofür man ihr Vertrauen haben sollte.
Bayram kritisiert vor allem die Inhalte der Debatten innerhalb der Grünen-Bundestagsfraktion, die ihrer Meinung nach zunehmend an Substanz verlieren. „Da ich mit meinen Argumenten und meiner Sicht auf die Fragen immer weniger Zustimmung erhalte, laufe ich zunehmend Gefahr, nur noch ein Feigenblatt für meine Fraktion zu werden, die in ihrer Arbeit weniger auf Menschenrechte als vielmehr auf populistische Diskurse setzt“, schreibt sie. Diese Bedenken spiegeln eine wachsende Unzufriedenheit mit dem aktuellen Kurs der Partei wider.
Unter Bezugnahme auf ihre berufliche Tätigkeit als Anwältin hebt Bayram hervor, dass sie den Menschenrechten und der Verfassung verpflichtet sei. In diesem Zusammenhang lehnt sie die Verschärfung der Asylpolitik durch die Ampelregierung entschieden ab, kann allerdings keine genauen politischen Themen benennen, die ihr am Herzen liegen.
Besonders schwer lasten die Vorwürfe, die Bayram gegen ihren Kreisverband erhebt. Sie beschreibt eine erhebliche Veränderung innerhalb des Verbands und erklärt, dass er nicht mehr so stark vernetzt sei wie in der Vergangenheit. Sie fühlt sich nicht in der Lage, diskriminierungsfrei zu arbeiten, was für sie eine Grundvoraussetzung darstellt. „Das Präsidium kann eine diskriminierungsfreie politische Arbeit nicht garantieren und damit ist eine für mich notwendige Voraussetzung nicht mehr gegeben“, äußert sie. In diesem Zusammenhang blieb Bayram am Dienstag für Fragen unerreichbar.
Die Kritik an der Partei und den bestehenden Verhältnissen kommt zu einem Zeitpunkt, an dem im Kreisverband entschieden werden soll, mit welchem Direktkandidaten die Grünen bei der Bundestagswahl 2025 antreten werden. Als Favoritin gilt die Berliner Landespolitikerin Katrin Schmidberger, die beim bevorstehenden Treffen des Kreisverbands am Dienstagabend unter den Optionen sein dürfte.
Bayram hat in ihrem Schreiben auch klar gemacht, dass sie weder den Direktkandidaten noch den Kreisverband während des Wahlkampfs unterstützen wird. Dies stellt eine deutliche Abkehr von der politischen Einheit dar, die man normalerweise von einem Mitglied der Partei erwarten könnte, und gibt einen Einblick in die internen Spannungen innerhalb des Grünen-Lagers.
Der 58-jährige Bayram, der sowohl 2017 als auch 2021 das Direktmandat für den Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost gewann, war ein prominentes Gesicht der Grünen in Berlin. Er löste dabei Hans-Christian Ströbele ab, der als erster für die Grünen ein Direktmandat gewann. Die Entwicklungen um Bayrams Rückzug könnten jedoch weitreichende Folgen für die politische Ausrichtung der Partei haben, besonders im Hinblick auf den sich verschärfenden Wettbewerb innerhalb der Partei und gegen die anderen politischen Kräfte im Land.
Diese Situation wird weiter beobachtet, da in den kommenden Tagen weitere Kreisverbände ihre Direktkandidaten für die Berliner Wahlkreise ermitteln werden. Unter den namhaften Personen sind die Berliner Landesvorsitzende Nina Stahr und der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch, die beide auf aussichtsreiche Plätze innerhalb der Landesliste hoffen.
Für eine detaillierte Betrachtung des Falls, siehe den Bericht auf lomazoma.com.