Würzburg. Mangelernährung ist ein weltweites Problem, das Millionen von Kindern betrifft und erhebliche Gesundheitsfolgen mit sich bringt. Eine besondere Form dieser Problematik ist die umweltbedingte Enteropathie, eine chronische Darmentzündung, die durch schlecht hygienische Bedingungen und häufige Exposition gegenüber Krankheitserregern verursacht wird. Diese Erkrankung verringert die Fähigkeit des Darms, Nährstoffe aufzunehmen, was die Mangelernährung noch verstärkt.
Prof. Dr. Dorothee Viemann vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) hat gemeinsam mit einem Team von Forscherinnen und Forschern der Universität della Svizzera Italiana untersucht, wie mütterliche Mangelernährung die Gesundheit des Kindes und insbesondere die Entwicklung des Darms beeinflusst. Die Ergebnisse dieser bedeutenden Studie wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Die Rolle von S100A8/A9 in der Muttermilch
Die Forscher konnten im Mausmodell zeigen, dass eine Mangelernährung der Mutter dazu führt, dass schon während der Stillzeit eine Darmentzündung beim Neugeborenen ausgelöst wird. Hierbei spielen die körpereigenen Proteine S100A8 und S100A9 eine entscheidende Rolle. Diese Proteine kommen in der Muttermilch reichlich vor, sind jedoch bei mütterlicher Mangelernährung deutlich reduziert. Erstautorin Julia Heckmann erklärt: „Die Alarmin-Proteine tragen dazu bei, entzündungsfördernde Prozesse zu regulieren und verstärken deren Auswirkungen.“
S100-Alarmine sind dafür verantwortlich, dass das Immunsystem von Säuglingen in den ersten Lebensmonaten nicht überreagiert. Dies schützt vor gefährlichen Entzündungen, während sich der Darm mit nützlichen Bakterien besiedeln kann. Ein Mangel an S100A8/A9 kann insbesondere bei Frühgeborenen das Risiko für schwere Infektionen, wie Sepsis, erheblich erhöhen, erklärt Prof. Viemann.
Gesundheitsrisiken durch Mangelernährung
Die Statistiken sind besorgniserregend: mehr als 10 Prozent der Todesfälle bei Kindern sind auf Darminfektionen zurückzuführen, die häufig durch eine ins Ungleichgewicht geratene Keimbesiedlung des Darms infolge von Mangelernährung entstehen. Die häufigste Form der Mangelernährung ist die Protein-Energie-Mangelernährung, die wiederum Wachstumsstörungen und Infektionsanfälligkeit zur Folge hat. Die Studie der Forscherinnen legt den Fokus auf die Phase der Stillzeit, die in früheren Forschungen häufig vernachlässigt wurde. Ein Mangel an S100A8/A9 in der Muttermilch kann langfristige Folgen für die Gesundheit des Kindes haben.
Ein besonders spannender Aspekt der Studie ist die Feststellung, dass die einmalige Gabe von S100A8 an Neugeborene eine gesunde Darmentwicklung fördern kann. „Unsere aufregendste Entdeckung war, dass diese Gabe lebenslang wirkt“, so Heckmann. Dies könnte eine einfache und wirksame Methode darstellen, um die Gesundheit von Säuglingen, die unter reduziertem S100A8/A9- Spiegel leiden, zu unterstützen.
Forschung zur Effektivität von Nahrungsergänzung
Zurzeit wird untersucht, ob diese vielversprechenden Ergebnisse vom Mausmodell auf den Menschen anwendbar sind. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Wirksamkeit, Sicherheit sowie der passenden Dosierung der Nahrungsergänzung. Das Team plant, die Wirkung von S100A8/A9 auf die Erkrankungen des Darms und das Mikrobiom zu testen. Zudem sollen mögliche Nebenwirkungen aufgedeckt werden, während Dosisempfehlungen für zukünftige klinische Studien formuliert werden.
Zusätzlich wird erforscht, wie die Alarmin-Proteine die Epithelzellen der Darmschleimhaut beeinflussen. Diese Zellen sind die erste Barriere, die mit S100A8/A9 aus der Muttermilch in Kontakt kommt und spielen eine entscheidende Rolle in der Darmentwicklung.
Für Interessierte sind die gesamten Forschungsergebnisse und deren Implikationen in der Publikation von Perruzza et al. nachzulesen: „Postnatal supplementation with alarmins S100A8/A9 ameliorates malnutrition-induced neonate enteropathy in mice“ in der Fachzeitschrift Nat Commun. Diese Arbeit bietet spannende Einblicke in die komplexen Zusammenhänge zwischen mütterlicher Ernährung, der Entwicklung des Darms und der langfristigen Gesundheit von Neugeborenen, und könnte wichtige Ansätze für zukünftige therapeutische Maßnahmen liefern.
Details zu den Möglichkeiten und Herausforderungen dieser Forschung können auf www.ukw.de eingesehen werden, wo weitere Informationen sowohl zu aktuellen als auch zu vergangenen Studien bereitgestellt werden.
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