In einem packenden Gespräch hat Oliver Hidalgo, Lehrstuhlinhaber an der Universität Passau, die brennenden Fragen zur politischen Polarisierung in Deutschland beleuchtet. Bei einer Ethiktagung der evangelischen bayerischen Landeskirche in München am Freitag, dem 15. November, stellte er klar: Polarisierung ist ein normales Element der Demokratie. „Es gibt nicht die eine Position“, betont Hidalgo, „sondern eine Vielzahl an Sichtweisen, die in einer lebendigen Diskussion Platz finden müssen.“
Doch wo wird diese Polarisierung gefährlich? Hidalgo warnt: Wenn politische Gegner nicht mehr als legitime Meinungsvertreter anerkannt werden, sondern als Feinde, dann droht eine destruktive Spaltung. „Die demokratische Idee basiert darauf, dass wir trotz unterschiedlicher Meinungen einen Weg finden, um Kompromisse zu schließen“, erklärt er. In den USA sei diese Fähigkeit zur Zusammenarbeit bereits stark eingeschränkt, was die Demokratie gefährde. „Wir müssen die andere Seite als Konfliktpartner akzeptieren, um einen konstruktiven Dialog zu ermöglichen“, so Hidalgo.
Die Herausforderung der Mitte
Die Frage bleibt: Gibt es in Deutschland noch eine politische Mitte? Hidalgo sieht sie zwar, doch sie wird zunehmend unter Druck gesetzt. „In Zeiten extremer Polarisierung haben es gemäßigte Positionen schwer“, warnt er. Dies sei besonders während der Corona-Pandemie deutlich geworden, als politische Differenzen die Fähigkeit zur Vermittlung stark beeinträchtigten. „Ein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem politischen Gegner fördert die Radikalisierung“, fügt er hinzu.
Hidalgo beschreibt die gegenwärtige Stimmung in der Gesellschaft als „Polikrise“. Trotz vieler positiver Entwicklungen fühle sich alles im Abwärtstrend. Die Ampelregierung, die für Stabilität sorgen sollte, zeigt laut Hidalgo, dass es an Problemlösungs- und Konsensfähigkeit mangelt. „Die verschiedenen Stimmen konnten sich nicht auf einen konstruktiven Kompromiss einigen“, kritisiert er. Die Politik müsse lernen, wieder mutig zu streiten und nicht nur auf ein harmonisches Bild zu achten, um die Herausforderungen der Zeit zu meistern.