Die neue syrische Regierung, angeführt von einer Gruppe mit ehemaligen Verbindungen zu Al-Qaida, strebt danach, internationale Legitimität zu erlangen – und zeigt bereits erste Erfolge.
Vermittlung von internationaler Legitimität
Abu Mohammed al-Jolani, ein international sanktionierter ehemaliger Dschihadist, hat in den letzten Tagen Kontakt zu ausländischen Würdenträgern aufgenommen, seit seine Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) das Regime des ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad abgesetzt hat. Er versucht, die neue syrische Regierung als freundlichen, einladenden und friedlichen Staat zu präsentieren.
Treffen mit dem UN-Sondergesandten
Am Sonntag sicherte sich Al-Jolani ein Treffen in Damaskus mit Geir Otto Pedersen, dem UN-Sondergesandten für Syrien, der erklärte, die internationale Gemeinschaft hoffe auf ein baldiges Ende der Sanktionen, um den Wiederaufbau Syriens zu fördern. Pedersen warnte jedoch, dass es "Gerechtigkeit und Verantwortung für Verbrechen" geben muss, und dass dies durch ein "glaubwürdiges Justizsystem" geschehen muss.
EU und internationale Reaktionen
Am Montag erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas, dass sie einen europäischen Diplomaten nach Damaskus entsandt habe, um Kontakte zur neuen Regierung zu knüpfen. Kallas fügte hinzu, die EU werde weitere Schritte in Betracht ziehen, "wenn wir sehen, dass Syrien den richtigen Weg einschlägt." Bisher haben auch die USA und das Vereinigte Königreich sowie Katar und die Türkei den Kontakt zu den regierenden Rebellengruppen im Land etabliert.
Risiken und Chancen für Syrien
Experten betonen, dass die aktuellen Entwicklungen in Syrien die Chance bieten, einen Staatszusammenbruch zu verhindern, sie bringen jedoch auch Unsicherheiten und Risiken mit sich, da viele neue Führer eine bedenkliche Vergangenheit haben. Al-Jolani, der nun unter seinem echten Namen Ahmad al-Sharaa bekannt ist, und seine Gruppe HTS übernahmen Anfang des Monats schnell die Kontrolle über die zweitgrößte Stadt Aleppo, gefolgt von der strategisch wichtigen Stadt Hama und schließlich der Hauptstadt Damaskus.
USA empfangen direkte Kontakte
Trotz seiner Bemühungen, HTS von Al-Qaida zu distanzieren, wurde die Gruppe 2018 von den USA als ausländische Terrororganisation eingestuft. Der Biograf Qutaiba Idlbi vom Atlantic Council sagt, dass die Einbeziehung einer als Terrororganisation eingestuften Gruppe Herausforderungen mit sich bringe, aber auch wichtiges Druckmittel für die USA und internationale Partner darstellt.
Direkte Kontakte zwischen den USA und HTS
Der neue US-Präsident könnte dieses Druckmittel nutzen, um sicherzustellen, dass HTS als akzeptabler Akteur innerhalb der syrischen Szenerie agiert und die Sicherheitsinteressen der USA und der Region nicht gefährdet. Am Samstag bestätigte der US-Außenminister Antony Blinken, dass Washington direkten Kontakt mit HTS habe. Dies war die erste öffentliche Bestätigung der direkten Kommunikation zwischen den USA und der Gruppe.
Wirtschaftliche Herausforderungen Syriens
Syrien leidet seit Jahren unter den Auswirkungen westlicher Sanktionen. Die strengsten davon sind das 2019 eingeführte Caesar-Gesetz, das umfassende Sanktionen verhängt hat, die Einzelpersonen, Unternehmen oder Regierungen daran hindern, die Kriegsanstrengungen Assads zu unterstützen. Laut Weltbank ist die Wirtschaft des Landes zwischen 2010 und 2020 um mehr als die Hälfte geschrumpft.
Poverty in Syrien
Im Jahr 2022 war laut Weltbank 69 % der Bevölkerung von Armut betroffen, während extreme Armut mehr als jeden vierten Syrer traf. Diese Zahlen dürften sich nach einem verheerenden Erdbeben im Februar 2023 noch verschlechtert haben.
Strategischer Ansatz für die Zukunft
Idlbi vom Atlantic Council weist darauf hin, dass der Sturz von Assad zwar eine Chance darstellt, jedoch nicht als Allheilmittel angesehen werden kann. Er betont, dass die Biden- und Trump-Administration einen ausgewogenen und strategischen Ansatz annehmen müsse, der sich auf inklusive Regierungsführung, humanitäre Unterstützung und regionale Stabilität konzentriert. Eine so einmalige Gelegenheit erfordert sorgfältige Verwaltung, um nicht in weitere Instabilität zu münden.
Berichte trugen bei: CNN’s Jomana Karadsheh, Gul Tuysuz, Brice Laine, Lauren Kent, Eyad Kourdi und Jennifer Hansler.