In einer alarmierenden Einschätzung haben drei der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Deutschlands am Donnerstag ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr drastisch gesenkt. Das Ifo-Institut in München und das IWH in Halle erwarten ein Wirtschaftswachstum von null Prozent, während das RWI in Essen die Wachstumserwartung auf 0,1 Prozent granulieren. Der Konjunkturchef des Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser, bemerkte besorgt: „Die deutsche Wirtschaft steckt fest“, feststellend, dass andere Länder in der globalen Wirtschaftslage aufblühen. Diese stagnierende Entwicklung ist nicht nur eine Folge der allgemeinen Konjunktur, sondern auch das Ergebnis einer soliden strukturellen Krise.
Die Analyse zeigt, dass die Auftragsbestände in den wichtigen Bereichen Industrie und Bau stark abgenommen haben. Beide Branchen verzeichnen Rückgänge, während die Unternehmen mit einem signifikanten Auftragsmangel kämpfen. Besonders auffällig ist der Rückgang der Investitionen in der Industrie, wodurch die Produktivität schon seit mehreren Jahren nicht mehr ansteigt. „Die deutschen Unternehmen verlieren dadurch Weltmarktanteile“, betont Torsten Schmidt, der Konjunkturchef des RWI.
Herausforderungen für die Wirtschaft
Eine Vielzahl von Faktoren wird als Ursachen für die schwierige wirtschaftliche Lage genannt. Diese beinhalten die Herausforderungen der Klimawende, steigende Energiepreise, den rasanten Fortschritt der Digitalisierung sowie demografische Veränderungen. Hinzu kommt die zunehmende Konkurrenz durch China, sowie strukturelle Probleme wie hohe Unternehmenssteuern und übermäßige Bürokratie, die die Investitionsbereitschaft der Firmen hemmen. Wollmershäuser appelliert: „Die Unternehmen brauchen bessere Standortbedingungen, damit sie wieder investieren und Beschäftigte einstellen können.“ Kleine, gezielte Subventionen allein könnten hier nicht die Lösung sein.
Zudem trifft die gegenwärtige konjunkturelle Krise die deutsche Wirtschaft ins Mark. Zwar steigen die Löhne, und die Inflation zeigt in diesem Jahr einen signifikanten Rückgang. Dennoch bringen die Käuferschaftsgewinne nicht den erhofften Anstieg im Konsum, da viele Verbraucher verunsichert sind und deshalb eher an ihrem Ersparten festhalten. Nach einer Inflationsrate von 5,9 Prozent im letzten Jahr wird in diesem Jahr nur noch eine Rate zwischen 2,2 und 2,3 Prozent erwartet, während die Institute für das kommende Jahr Werte zwischen 2,0 und 2,4 Prozent prognostizieren.
Arbeitsmarkt zeigt relative Stabilität
Trotz der herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zeigt sich der Arbeitsmarkt vergleichsweise robust. Die Prognosen sehen die Arbeitslosenquote in diesem Jahr von 5,7 Prozent auf 6,0 Prozent ansteigen, wobei das IWH für das nächste Jahr einen weiteren Anstieg und die beiden anderen Institute einen leichten Rückgang erwarten. Die verschiedenen Prognosen für das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr liegen zwischen 0,9 und 1,0 Prozent, jedoch warnt Wollmershäuser, dass die mittelfristigen Erwartungen in den letzten Jahren immer wieder zu optimistisch waren.
Ein Lichtblick könnte laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag der Anstieg des Auftragseingangs in der deutschen Industrie im Juli um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat sein. Dies stellt einen Anstieg dar, der jedoch vorrangig auf Großaufträge zurückzuführen ist. Ohne diese wären die Zahlen erneut rückläufig gewesen. Auf der anderen Seite meldet die staatliche Förderbank KfW, dass sich das Geschäftsklima im Mittelstand im August zum vierten Mal in Folge verschlechtert hat. Die Einschätzungen zur aktuellen Lage sind auf einem Tiefpunkt und spiegeln den schlechtesten Stand der letzten vier Jahre wider. Zwar gibt es schwache positive Indikatoren, insbesondere im Bereich des mittelständischen Einzelhandels und bei einigen großen Bauunternehmen, die jedoch nicht die generelle Negativentwicklung aufheben.
– NAG